Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Krankenversicherung: Kostenübernahmepflicht für eine Schlauchmagenoperation als adipositaschirurgische Maßnahme. Voraussetzung der Bewilligung einer Schlauchmagenoperation bei erheblichem Übergewicht. Wirkung der Genehmigungsfiktion bei unterbliebener Mitwirkung des Versicherten an der Begutachtung durch den medizinischen Dienst der Krankenkasse
Orientierungssatz
1. Erreicht ein massives Übergewicht einen Body-Mass-Index (BMI) von mindestens 30, stellt dies eine behandlungsbedürftige Krankheit dar, die mit dem Ziel einer Gewichtsreduktion zu behandeln ist.
2. Bei einem massiven Übergewicht mit einem BMI von erheblich über 40 (hier: BMI ≫50 kg/m²) sind die Voraussetzungen für die Übernahme der Kosten einer Magenverkleinerungsoperation durch die gesetzliche Krankenkasse ausnahmsweise auch dann gegeben, wenn zuvor nicht in einem sechs- bis zwölfmonatigen multimodalen und ärztlich geleiteten bzw. überwachten Therapiekonzept eine Gewichtsreduzierung versucht wurde.
3. Hat eine Krankenkasse zur Beurteilung eines Leistungsanspruchs in Bezug auf eine konkrete medizinische Behandlung (hier: Schlauchmagenoperation) den Versicherten zur Übersendung von Befund- und Behandlungsunterlagen aufgefordert, die für die Beurteilung der Leistungspflicht notwendig sind, so greift die allein durch Zeitablauf eintretende Genehmigungsfiktion ausnahmsweise nicht ein, wenn der Versicherte die Unterlagen nicht zur Verfügung stellt. Dies gilt auch dann, wenn die Krankenkasse in ihrem Anforderungsschreiben keine konkreten Fristen zur Vorlage der Unterlagen gesetzt hatte.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 7. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2015 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten für eine bariatrische Operation in Form einer zweizeitigen adipositaschirurgischen Maßnahme (Schlauchmagen gefolgt von einer biliopankreatischer Diversion mit Duodenal Switch) in einem zugelassenen Krankenhaus zu übernehmen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Kostenübernahme einer bariatrischen Operation zur Gewichtsreduktion (hier in Form einer zweizeitigen adipositaschirurgischen Maßnahme: Schlauchmagen, gefolgt von einer biliopankreatischen Diversion mit Duodenal Switch) als Sachleistung.
Gestützt auf eine umfangreiche Stellungnahme des D. Klinikums D-Stadt, Adipositaszentrum, vom 04.07.2015 (Sonntag) beantragte der Kläger über seinen Bevollmächtigten am gleichen Tag die Gewährung einer bariatrischen Operation im Form einer zweizeitigen adipositaschirurgischen Maßnahme und machte dazu geltend, dass der Kläger 193 kg bei einer Körpergröße von 186 cm aufweise, also der Body-Maß-Index bei 55 Punkten und einem Adipositas-Grad IV liege. Deshalb bestehe - auch gemäß der S3-Leitlinie "Chirurgie der Adipositas" der Deutschen Adipositasgesellschaft aus dem Jahr 2010 - eine primäre Indikation zur Durchführung des operativen Eingriffs. Denn Art und/oder Schwere der Krankheit bzw. die psychosozialen Gegebenheiten bei Erwachsen lassen annehmen, dass eine chirurgische Therapie nicht aufgeschoben werden könne und die konservative Therapie ohne Aussicht sei.
Mit Schreiben vom 06.07.2015 wurde der Antrag an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in A-Stadt zur Prüfung und Beantwortung verschiedener Fragen in Bezug auf die medizinische Notwendigkeit des Eingriffs weitergeleitet, wovon die Beklagte den Prozessbevollmächtigten des Klägers auch mit Schreiben vom 06.07.2015 informiert hatte. Der MDK selbst hat mit Datum vom 10.07.2015 den Kläger um Vorlage einzeln aufgeführter weiterer Unterlagen gebeten, ohne dass dieser oder dessen Bevollmächtigter sich geäußert hätten. Nachdem die Beklagte darüber auch seitens des MDK mit Schreiben vom 09.07.2015 informiert worden war, wandte sich diese mit weiterem Schreiben an den Bevollmächtigten des Klägers und erläuterte, dass wegen Fehlens der erbetenen Unterlagen eine Entscheidung über den Kostenantrag für die beantragte Operation noch nicht getroffen werden konnte. Sollten jedoch die angeforderten Unterlagen nachgereicht werden, würden diese zur Begutachtung an den MDK weitergeleitet werden.
Da auch darauf keine Reaktion erfolgt war, stellte die Beklagte mit, an den Bevollmächtigten des Klägers gerichteten Schreiben vom 7. September 2015 fest, dass der Antrag auf Durchführung einer bariatrischen Operation aufgrund fehlender Mitwirkung des Klägers abgelehnt werde. Sollte mit dieser Entscheidung kein Einverständnis bestehen, könne innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dagegen Widerspruch erhoben werden. Dieser wurde dann am 07.10.2015 seitens des Bevollmächtigten des Klägers bei der Beklagten eingelegt, die diesen schließlich mit Bescheid vom 11. November 2015 als unbegründet zurückgewiesen hat.
Bereits am 11. August 2015 hatte der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten beim hiesigen Gericht Klage mit dem Ziel erhoben, festzustellen, dass der Antrag des Klägers auf Gewährung e...