Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt. Regelleistungsvolumen. Praxisbesonderheiten. Berücksichtigung -Fallwertüberschreitung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) ist nicht verpflichtet, im Rahmen der Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten die Fallwertüberschreitung zur Gänze zu berücksichtigen.
2. Wie anerkannte Praxisbesonderheiten berücksichtigt werden, obliegt dem Beurteilungsspielraum der KÄV im Rahmen der Zuweisung des RLV. Sie ist nicht gehindert, ein RLV erst ab einem Schwellenwert des Honorarvertrags (15 %) zu erhöhen und die Differenz nicht gänzlich auszugleichen.
3. Grundsätze der Honorarverteilungsgerechtigkeit gebieten es nicht, dass gleiche (vertragsärztliche) Leistungen unterschiedslos stets in gleicher Höhe vergütet werden, unabhängig davon, welcher Arzt sie in welcher Situation erbringt.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Juni 2016 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt 2/5, die Beklagte trägt 3/5 der Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt noch die Vergrößerung ihres Regelleistungsvolumens (RLV) für das Quartal IV/2009.
Die Klägerin ist seit 2009 als Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie ist aus einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis für Radiologie und Neurochirurgie hervorgegangen. Sie ist auf dem Gebiet der gesamten Radiologie, der ambulanten Neurochirurgie, der funktionellen Neurologie und der Schmerztherapie tätig.
Die Klägerin legte - wie bereits gegen die Zuweisung des RLV für die vorherigen Quartale aus 2009 - auch gegen die Zuweisung des RLV für das Quartale IV/2009 Widerspruch ein und beantragte vorsorglich die Erhöhung des RLV. Sie machte Praxisbesonderheiten geltend (Bescheid für das Quartal IV/2009 vom 17. September 2009, Widerspruch vom 23. September 2009). Es sei insbesondere in Bezug auf die Tätigkeit von Dr. S eine Praxisbesonderheit nachgewiesen. Er sei Neurochirurg, verfüge aber seit dem 20. bzw. 23. März 1992 über die notwendige Qualifikation hinsichtlich konventioneller Röntgentechnik und computertomographischer Leistungen des Kopfes und der Wirbelsäule. Seit dem 12. Juni 2001 verfüge er über die notwendige Qualifikation für die Durchführung kernspintomographischer Leistungen. Er rechne bereits seit 1992 im Rahmen seiner Tätigkeit als Neurochirurg und zur Behandlung von Erkrankungen der Wirbelsäule radiologische Gebührenziffern und MRT-Leistungen ab. Aufgrund der Qualifikationen und Leistungserbringungen in der Vergangenheit und damit der gewachsenen Patienten- und Überweisungsstrukturen liege ein besonderer Versorgungsbedarf und eine besondere, für die Versorgung der Patienten bedeutsame fachliche Spezialisierung, vor. Daher müsse eine Anpassung des Fallwertes und des arztindividuellen RLV vorgenommen werden.
Für das Quartal IV/2009 setzte die Beklagte mit Bescheid vom 14. Dezember 2009 das RLV der Arztpraxis insgesamt auf 529.041,05 Euro neu fest unter Berücksichtigung eines MVZ-Zuschlags von 20 %. Das arztindividuelle RLV für Dr. S berücksichtigte sie mit 33.857,12 Euro (Anlage 1 zum Bescheid). Die Festsetzung berücksichtigte im Einzelnen für Dr. S:
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Anzahl Behandlungsfälle: 722, |
Fallwert der Arztgruppe: 51,51 Euro, |
Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe: 373, |
Anzahl der Fälle zu 100 % des Fallwertes: 559, |
Anzahl der Fälle zu 75 % des Fallwertes: 75, |
Anzahl der Fälle zu 50 % des Fallwertes: 89, |
Anzahl der Fälle zu 25 % des Fallwertes: 0). |
Hinsichtlich des Antrags auf Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten verwies die Beklagte am Endes der Neufestsetzung auf einen noch zu erlassenden Bescheid. Auch gegen die Neufestsetzung erhob die Klägerin Widerspruch (8. Januar 2010).
Mit Bescheid vom 14. Dezember 2010 wies die Beklagte der Klägerin für das Quartal IV/2009 Zuschläge zum Fallwert zu. Zur Begründung führte sie aus: Nach dem Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008 (Teil F Punkt 3.6) zur Berechnung und Anpassung von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumina ergäben sich Praxisbesonderheiten aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung, wenn zusätzlich eine aus Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe um mindestens 30 % vorliege. Mit Wirkung zum 1. April 2009 könnten auf der Grundlage der 1. Änderungsvereinbarung zum Honorarvertrag 2009 zwischen der Beklagten und den Landesverbänden der Krankenkassen Praxisbesonderheiten auf Antrag - zusätzlich zum besonderen Versorgungsauftrag und/oder einer Spezialisierung - bereits ab einer Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes einer Arztgruppe von mindestens 15 % anerkannt werden.
Für das Quartal IV/2009 sei für die Klägerin bei Betrachtung des durchschnittlichen gewichteten arztindividuellen RLV-rel...