Entscheidungsstichwort (Thema)
Soldatenversorgung. posttraumatische Belastungsstörung als Wehrdienstbeschädigung nach SFOR-Einsatz. Erforderlichkeit einer exakten Diagnose nach einem internationalen Diagnosesystem
Leitsatz (amtlich)
Auch im Versorgungsrecht ist zur Anerkennung einer psychischen Störung als Schädigungsfolge eine exakte Diagnose nach einem der internationalen Diagnosesysteme erforderlich (Anschluss an BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05R = BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17).
Normenkette
SVG § 81 Abs. 1
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung einer psychischen Erkrankung sowie einer entzündlichen Darmerkrankung (Colitis ulcerosa bzw. Morbus Crohn) als Wehrdienstbeschädigung sowie die Gewährung von Versorgungsansprüchen nach dem Gesetz über die Versorgung für die ehemaligen Soldaten der Bundeswehr und ihre Hinterbliebenen (Soldatenversorgungsgesetz - SVG -).
Der 1974 geborene Kläger diente in der Zeit vom 01. Januar 1993 bis 31. Dezember 1997 als Soldat auf Zeit bei der Bundeswehr. In der Zeit vom 04. Februar bis 11. April 1997 befand er sich im Rahmen eines SFOR (Stabilisation Force)-Einsatzes im ehemaligen Jugoslawien. Zu seinen Aufgaben gehörten nach den Angaben gegenüber der später befragenden Gutachterin H (Gutachten vom 08. Januar 2001) Patrouillen im Gelände, die Kontrolle von geschützten Objekten, Verkehrskontrollen, Kontrollen von Konvois bzw. Begleitung solcher von den verschiedenen verfeindeten Bevölkerungsgruppen, Kontrollen von deren Waffen und Kasernen, außerdem hätte die Truppe Wachfunktionen für die drei Präsidenten bzw. Bürgermeister Sarajevos und beim Papstbesuch gehabt; nach Angaben gegenüber dem Gutachter Dr. Z (Gutachten vom 10. Juni 2004) gehörten zu seinem Aufgabenbereich Kontakte zur einheimischen Bevölkerung, Patrouillenfahrten, die Bewachung von zivilen Objekten und die Sicherung hochrangiger Truppenbesuche.
Ende Juli 1997 traten beim Kläger eine Durchfallneigung mit zehn bis zwölf Stuhlabgängen am Tag mit dunklen Blutspuren sowie krampfartige Schmerzen im Abdomen auf, die in der Folgezeit zu verschiedenen stationären Aufenthalten führten und als Colitis ulcerosa diagnostiziert wurden.
Im Januar 1998 erfolgte deshalb eine erste ärztliche Mitteilung über eine mögliche Wehrdienstbeschädigung; ferner beantragte der Kläger Versorgung nach §§ 80 ff. SVG. Die Beklagte holte zunächst eine stabsärztliche Stellungnahme des Dr. S ein, der am 18. März 1998 ausführte, dass sich nach Aktenlage beim Kläger kein Hinweis auf toxische Schädigungen, auf eine durch äußere Umstände verursachte erhebliche Herabsetzung der Resistenz oder auf infektiöse oder andere Krankheiten fänden, die die Immunitätslage nachhaltig verändert hätten. Die Beklagte holte daraufhin eine Stellungnahme des seinerzeitigen Kompaniechefs A ein, der am 10. Mai 1998 ausführte, dass Form und Menge der Verpflegung zu jeder Zeit derjenigen entsprochen habe, wie sie im Heimatland gereicht werde; Wasser habe in Flaschen in ausreichender Menge zur Verfügung gestanden; zu keiner Zeit seien irgendwelche Umstände bekannt geworden, dass Wasser oder Lebensmittel in irgendeiner Form verdorben geschweige denn verseucht gewesen sein sollten. Die aufgetretenen Belastungen für alle Soldaten des gepanzerten Einsatzverbandes seien durch keinen der Soldaten als überhart empfunden worden oder hätten sich im Nachhinein als psychologisches Problem erwiesen. Dies sei aus der ärztlichen Befragung unmittelbar nach Rückkehr aus dem Einsatzland sowie aus einer Befragung aus Anlass des vorliegenden Falles hervorgegangen. Die einzigen physisch und psychisch anspruchsvollen Aufträge seien die Absicherung des Papstbesuches sowie die Absicherung der Präsidentschaftstreffen gewesen, die drei Tage bzw. jeweils einen Tag gedauert hätten. Die vom Kläger gemachten Angaben zu einer sehr hohen psychischen Belastung könnten weder durch seine Soldaten noch durch ihn bestätigt werden.
Die Beklagte forderte ferner die den Kläger betreffenden Gesundheitsunterlagen der Dienststellen an, holte Befundberichte behandelnder Ärzte und ein truppenärztliches Gutachten des Dr. K vom 18. August 1998 ein und zog ein Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Berlin bei, aus dem u. a. Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen Ulcus duodeni für den 5. bis 19. April 1991 und 23. April bis 17. Mai 1991 ersichtlich sind.
Der Kläger überreichte ein “Psychologisches Gutachten„ (ohne Datum) des Dipl.-Psych. K aus dem Krankenhaus L, O Krankenhaus, der eine posttraumatische Belastungsstörung mit depressiven Symptomen bei gemäßigt introvertierter Persönlichkeit als Reaktion auf eine Situation längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung und infolge Verlustes des Arbeitsplatzes diagnostizierte. Die Beklagte zog ferner die Patientenakte des Bezirksamtes M, Gesundheitsamt bei, holte ei...