Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. Soldatenversorgung. Wehrdienstbeschädigung. Colitis ulcerosa. Nachweis. beschwerdefreie Intervalle. ursächlicher Zusammenhang. Kannversorgung. notwendige Beiladung. sozialgerichtliches Verfahren
Leitsatz (amtlich)
Zur Anerkennung einer Colitis ulcerosis als Wehrdienstbeschädigung im Rahmen der Kannversorgung.
Orientierungssatz
1. Der gesicherten Diagnose einer Colitis ulcerosa steht nicht entgegen, wenn sich in beschwerdefreien Intervallen (Remissionsphasen) keine entzündlichen Schleimhautveränderungen nachweisen lassen.
2. Die Beklagte setzt sich in Widerspruch, wenn sie einerseits im sozialen Entschädigungsverfahren die Diagnose einer Colitis ulcerosa nicht als im Vollbeweis gesichert anerkennt, die Erkrankung aber andererseits vom Truppenarzt mit einer Fehlziffer 6 bewerten lässt, was zu einer Ausmusterung führen würde.
3. Zur Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung ist eine Beiladung des Bundesministeriums der Verteidigung nicht erforderlich, wenn die Beklagte bereits durch das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr vertreten wird.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 07.10.2010 in der Fassung des Beschwerdebescheides vom 14.02.2013 wird aufgehoben, und die Beklagte wird verurteilt, für den Kläger eine "colitis ulcerosa" als Folge einer Wehrdienstbeschädigung i.S.d. § 81 SVG festzustellen. Der Bescheid vom 18.09.2009 in der Fassung des Beschwerdebescheides vom 14.02.2013 wird abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die "einsatzbedingte posttraumatische Belastungsstörung" und "colitis ulcerosa" Beschädigtenversorgung nach einem GdS von 50 ab dem 25.03.2006 zu gewähren. Der Bescheid vom 08.03.2012 in der Fassung des Beschwerdebescheides vom 14.02.2013 in der Fassung des Teilanerkenntnisses der Beklagten vom 06.04.2018 wird abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, für den Kläger ab dem 01.05.2012 insgesamt Beschädigtenversorgung nach einem GdS von 40 zu gewähren.
2. Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Gesundheitsstörung "colitis ulcerosa" beim Kläger als Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen ist. Des Weiteren streiten die Parteien über die Höhe des insgesamt bei dem Kläger anzuerkennenden Grades der Schädigung (GdS) und in der Folge über die Höhe der Beschädigtenrente nach dem Gesetz über die Versorgung für die ehemaligen Soldaten der Bundeswehr und ihre Hinterbliebenen (Soldatenversorgungsgesetz - SVG) i. V. m. den Regelungen des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz - BVG).
Der 1981 geborene Kläger ist seit dem 02.01.2003 Berufssoldat und nahm in der Zeit vom 04.12.2005 bis zum 25.03.2006 an einem Bundeswehreinsatz in Q. in Afghanistan teil.
Auf seinen Antrag vom 09.03.2007 (Bl. 3 der Verwaltungsakte) hatte die Beklagte mit Bescheid vom 12.11.2007 (Bl. 125 ff. der Verwaltungsakte) die Gesundheitsstörung "Empfindungsstörung im linken Wangenbereich nach Osteosynthesematerialentfernung" als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt. Die Empfindungsstörung nach der durchgeführten Kieferoperation am 06.11.2006 sei negative Folge truppenärztlicher Behandlung.
Am 11.03.2008 (Bl. 133 ff. der Verwaltungsakte) stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Anerkennung einer "colitis ulcerosa" als Wehrdienstbeschädigung, an der er ca. 3 Wochen nach dem Einsatz erkrankt sei. Die Erkrankung sei nunmehr chronisch geworden und habe sich trotz intensiver truppenärztlicher und ziviler Behandlung nicht verbessert. Der Kläger stellte außerdem einen Antrag auf Anerkennung seines psychischen Krankheitsbildes als Wehrdienstbeschädigung. Er habe bisher kein Einsatznachbereitungsseminar besucht, bei dem er habe offen mit geschultem Personal über seine Erlebnisse im Einsatz sprechen können. Die armselige Lage der zivilen afghanischen Bevölkerung habe ihn extrem beschäftigt. Am meisten habe ihn aber die Lebenssituation der Kleinkinder als junger Vater seines 2004 geborenen Sohnes C., damals kaum ein Jahr alt, negativ psychisch belastet. Kinder seien auf offener Straße von der einheimischen Bevölkerung verprügelt worden, die Mädchen misshandelt etc.
Die Beklagte zog diverse medizinische Unterlagen bei und ließ sodann eine versorgungsmedizinische Stellungnahme bei dem Facharzt für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin, Dr. D., vom 07.12.2008 erstellen (ab Bl. 284 ff. der Verwaltungsakte). Dr. D. empfahl eine internistisch-gastroenterologische Begutachtung und eine psychiatrische Begutachtung. Die Beklagte veranlasste daraufhin zunächst eine Begutachtung auf internistisch-gastroenterologischem Fachgebiet bei dem Facharzt für Innere Medizin Prof. E. Prof. E. führte in seinem Gutachten vom 20.05.2009 (ab Bl. 322 ff. der Verwaltungsakte) aus, dass sich insgesamt in den vom 30.03.2009 bis 03.04.2009 durchgeführten gastroenterologischen Untersuchungen im Bundeswehrkrankenhaus Ulm keine Be...