Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. Soldatenversorgung. Wehrdienstbeschädigung. Colitis ulcerosa als Folge einer posttraumatischen Belastungsstörung. ursächlicher Zusammenhang. Kann-Versorgung
Leitsatz (amtlich)
Zur Kann-Versorgung bei Colitis ulcerosa.
Orientierungssatz
1. Auch wenn Interaktionen zwischen Körper und Psyche bekannt sind und der Verlauf einer Colitis ulcerosa durch psychische Faktoren beeinflusst werden kann, gibt es keine (für eine Kann-Versorgung nach § 81 Abs 6 S 2 SVG erforderliche) wissenschaftliche Lehrmeinung, nach welcher psychische Faktoren konkret an der Entstehung einer Colitis ulcerosa beteiligt sind.
2. Nachdem das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) die allgemeine Zustimmung vom 12.12.1996 (VI 5-55470) iS des § 1 Abs 3 S 2 BVG - und entsprechend § 81 Abs 6 S 2 SVG - mit Schreiben vom 7.11.2016 aufgehoben hat, ist eine Kann-Versorgung nicht mehr ohne Weiteres möglich.
Normenkette
SVG § 81 Abs. 6 S. 2; BVG § 1 Abs. 3 S. 2
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 16. August 2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat 4/5 der außergerichtlichen Kosten des Klägers im erstinstanzlichen Verfahren zu erstatten. Außergerichtliche Kosten des Klägers im Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Gesundheitsstörung Colitis ulcerosa als Wehrdienstbeschädigung des Klägers anzuerkennen und zu entschädigen ist.
Der 1981 in Polen geborene Kläger lebt seit seinem 5. Lebensjahr in der Bundesrepublik. Er war in der Zeit vom 2. Januar 2003 bis 1. Januar 2011 Soldat auf Zeit. In der Zeit vom 4. Dezember 2005 bis 25. März 2006 war er während des ISAF-Einsatzes in D-Stadt in Afghanistan.
Auf seinen Antrag anerkannte die Beklagte mit Bescheid vom 12. November 2007 die Gesundheitsstörung „Empfindungsstörung im linken Wangenbereich nach Osteosynthesematerialentfernung“ als Folge einer Wehrdienstbeschädigung.
Am 11. März 2008 beantragte der Kläger die Anerkennung einer Colitis ulcerosa, an welcher er seit 3 Wochen nach dem Einsatz erkrankt sei, als Wehrdienstbeschädigung. Die Erkrankung sei nunmehr chronisch. Zudem liege ein psychisches Krankheitsbild vor, das ebenfalls als Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen sei.
Die Beklagte holte eine versorgungsmedizinische Stellungnahme von Dr. E. vom 7. Dezember 2008, ein internistisch-gastroenterologisches Gutachten von Prof. Dr. F. vom 20. Mai 2009, ein psychiatrisches Gutachten von Dr. G. vom 10. Juli 2009 sowie eine abschließende versorgungsmedizinische Stellungnahme von Dr. E. vom 23. August 2009 ein.
Mit Bescheid vom 18. September 2009 anerkannte die Beklagte als weitere Folge einer Wehrdienstbeschädigung eine einsatzbedingte posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und gewährte dem Kläger einen Ausgleich nach § 85 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) nach einem Grad der Schädigung (GdS) von 40 ab dem 25. März 2006. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Die Darmerkrankung sei ebenfalls anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte holte ein Gutachten von Dr. G. ein. Dieser führte unter dem 5. August 2010 aus, dass ein Zusammenhang zwischen der PTBS und der Darmerkrankung nicht auszuschließen, aber unwahrscheinlich sei. Dem schloss sich die Sozialmedizinerin H. in ihrer versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 29. September 2010 an.
Mit Bescheid vom 7. Oktober 2010 lehnte daraufhin die Beklagte die Anerkennung einer wiederkehrenden Darmentzündung als weitere Wehrdienstbeschädigung ab. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.
Mit psychiatrischem Gutachten vom 18. März 2011 führte Dr. G. aus, dass die PTBS nahezu abgeklungen sei und die Restsymptomatik mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 10 zu bewerten sei.
Die Beklagte hörte daraufhin den Kläger mit Schreiben vom 15. August 2011 dazu an, dass eine Teilaufhebung des Bescheides vom 19. September 2009 beabsichtigt sei.
Am 31. August 2011 stellte der Kläger einen Verschlechterungsantrag und verwies darauf, dass zusätzlich eine entzündliche rheumatische Erkrankung vorliege.
Die Beklagte holte die versorgungsmedizinische Stellungnahme von Dr. J. vom 3. Februar 2011 ein und setzte mit Bescheid vom 8. März 2012 unter entsprechender Aufhebung des Bescheids vom 18. September 2009 einen GdS von weniger als 25 zum 1. Mai 2010 fest. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.
Dr. K. stellt in ihrer versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 11. November 2012 fest, dass eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung bei dem Kläger nicht mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen sei. Soweit man eine Colitis ulcerosa unterstelle, wäre eine Kann-Versorgung zu prüfen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2013 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 18. September 1009, 7. Oktober 2010 und 8. März 2012 zurück.
Am 14. März 2013 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Kassel Klage erhoben.
Das Sozialgericht hat gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (...