Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung zusätzlicher Belohnung für Werktätige im Bergbau der DDR bzw. gezahlter Jahresendprämie als Entgelt nach dem AAÜG

 

Orientierungssatz

1. Zur Berücksichtigung der zusätzlichen Belohnung für Werktätige im Bergbau der ehemaligen DDR als Arbeitsentgelt i. S. des § 6 Abs. 1 AAÜG ist deren Zahlung entweder nachzuweisen oder nach Abs. 6 glaubhaft zu machen.

2. Gemäß § 23 Abs. 1 S. 2 SGB 10 ist eine Tatsache dann als glaubhaft gemacht anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen überwiegend wahrscheinlich ist.

3. Dies gilt auch hinsichtlich der Höhe der zusätzlichen Belohnung. Eine Schätzungsbefugnis ist im Anwendungsbereich des § 6 AAÜG ausgeschlossen.

4. Eine nach §§ 117, 118 Arbeitsgesetzbuch der DDR gezahlte Jahresendprämie ist als Arbeitsentgelt i. S. des § 6 Abs. 1 S. 1 AAÜG berücksichtigungsfähig.

5. Verbleiben nach den vorhandenen Unterlagen und den Zeugenaussagen hinsichtlich der Höhe der gezahlten Jahresendprämie erhebliche Zweifel an deren Validität, so ist eine Anerkennung mangels zulässiger Schätzungsbefugnis ausgeschlossen.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 1. Juli 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Berücksichtigung zusätzlicher Zahlungen als Entgelte nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG).

Die Klägerin ist die Witwe des 1948 geborenen und 2017 verstorbenen Versicherten. Sie lebte mit dem Versicherten im Zeitpunkt seines Todes in einem Haushalt.

Der Versicherte absolvierte vom 1. September 1964 bis 31. August 1966 eine Lehre als Betriebsschlosser in der Betriebsschule des VEB Braunkohlenkombinat (BKK) Lauchhammer und war danach bis 13. September 1966 bei dem VEB BKK Lauchhammer beschäftigt. Nach einem Studium (Pflichtversicherung für Studierende vom 14. September 1966 bis 22. Juli 1969) erwarb er am 8. Juli 1969 die Berechtigung, die Berufsbezeichnung Ingenieur für Bergbautechnik-Tagebau zu führen (Urkunde der Ingenieurschule für Elektrotechnik, Maschinenbau und Bergbautechnik “Ernst Thälmann„ Senftenberg vom selben Tag). Anschließend war er - unterbrochen durch Wehr- und Reservedienst - vom 4. August 1969 bis 14. Januar 1971 als Schichtingenieur im Tagebau Klettwitz beim VEB BKK Lauchhammer, vom 18. Januar 1971 bis 31. Januar 1984 als Ingenieurgeologe im VEB Braunkohlenbohrungen und Schachtbau (BuS) Welzow sowie vom 1. Februar 1984 bis 31. März 1991 als Berginspektor bei der Bergbehörde Senftenberg beschäftigt (danach weitere Beschäftigungen im öffentlichen Dienst bis zum Eintritt in die Altersrente). Mit Wirkung vom 1. Februar 1984 wurde er in die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates aufgenommen.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 15. November 2000 für den Versicherten Daten nach dem AAÜG fest, und zwar nachgewiesene Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) vom 4. August 1969 bis 31. Januar 1984 (mit Unterbrechungen 1971 und 1972 wegen Wehr- und Reservedienst) sowie der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates vom 1. Februar 1984 bis 30. Juni 1990.

Die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn See bewilligte dem Versicherten mit Bescheid vom 5. Dezember 2012 Altersrente für langjährig Versicherte ab 1. Januar 2013 unter Berücksichtigung der Daten nach dem AAÜG.

Mit Schreiben vom 16. Juli 2012 beantragte der Versicherte am 17. Juli 2012 bei der Beklagten die Einbeziehung des Bergmanntreuegeldes und weiterer Prämien in die Rentenberechnung. Seine Anwartschaft auf Bergmanntreuegeld habe am 1. September 1964 begonnen und bis 1990 ohne Unterbrechung bestanden. Anders als bei der Jahresendprämie habe es beim Bergmanntreuegeld gesetzliche Regelungen gegeben. Hinsichtlich der Prämienzahlungen könne er nur für den Zeitraum von 1986 bis 1989 einen Nachweis beibringen. Es handele sich um die handschriftliche Handakte des ehemaligen Leiters der Bergbehörde Senftenberg und betreffe alle damaligen Mitarbeiter. Der Versicherte legte u.a. handschriftliche Notizen die Jahre 1986-1989 betreffend sowie Arbeits- und Änderungsverträge vom 16. Juni 1969, 3. September 1970, 18. Januar 1971, 1. Dezember 1977 und 1. Februar 1984 vor.

Mit Bescheid vom 20. September 2012 lehnte die Beklagte den Antrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) vom 17. Juli 2012, unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. August 2007 (B 4 RS 4/06 ER) höhere Arbeitsverdienste anzuerkennen, ab. Der Bescheid vom 15. November 2000 sei rechtmäßig.

Hiergegen erhob der Versicherte am 15. Oktober 2012 Widerspruch und legte eine Bescheinigung der DISOS GmbH über Arbeitsverdienste und Beschäftigungszeiten betreffend den Zeitraum vom 4. August 1969 bis 31. Januar 1984 vor.

Die Beklagte holte eine Auskunft der Vattenfall Europe Business Service...

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