Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Vormerkung einer Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung im Ausland. Zuordnung. Verlegung des gewöhnlichen Aufenthaltes ins Ausland zu Ausbildungszwecken

 

Orientierungssatz

1. Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung kann nach § 56 Abs. 3 S. 2 SGB VI nicht erwerben, wer die Zeit seines Erziehungsurlaubes mit den Kindern im Ausland verbringt. Denn vorrangige Bedingung für die Gleichstellungsfähigkeit von Erziehungszeiten im Ausland ist eine dort ausgeübte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit.

2. Eine Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung im Ausland kann dann gemäß § 56 Abs. 3 S. 3 SGB VI vorzumerken sein, wenn zwischen dem Ehegatten des Erziehenden und dem inländischen Arbeitgeber für die Dauer des Auslandsaufenthaltes ein Rumpfarbeitsverhältnis fortbesteht und die Hauptpflichten nach Beendigung der Erwerbstätigkeit im Ausland wiederaufleben (vgl. BSG, Urteil vom 17.11.1992 - 4 RA 15/91-).

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. August 2003 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Berücksichtigung der Zeit vom 1. Februar 1995 bis 31. Januar 1997, die die Klägerin während ihres Erziehungsurlaubs in den USA verbracht hat, als Kindererziehungszeit streitig. Der beigeladene Ehemann der Klägerin erhielt in dieser Zeit ein Forschungsstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft, während sein Arbeitsverhältnis als Arzt ruhte.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 5. September 2001 die Feststellung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für die Zeit vom 1. Februar 1995 bis 31. Januar 1997 ab. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2002). Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Beklagte mit Urteil vom 22. August 2003 unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die Zeit vom 1. Februar 1995 bis 31. Januar 1997 als Kindererziehungszeit und Berücksichtigungszeit für A (geboren am 13…) und die Zeit vom 1. August 1995 bis zum 31. Januar 1997 als Kindererziehungszeit und Berücksichtigungszeit für M (geboren am 30…) festzustellen. Eine vollständige und vor allem dauerhafte Lösung vom inländischen Arbeits- und Erwerbsleben sei bei der Klägerin nicht gegeben, denn sie habe unmittelbar vor der Geburt ihres ersten Kindes Pflichtbeitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung zurückgelegt, noch vor Beginn des Auslandsaufenthaltes Erziehungsurlaub in Anspruch genommen und ihre Arbeit als Lehrerin nach dessen Beendigung wieder aufgenommen. Ihre Integration in das inländische Arbeits- und Erwerbsleben sei nicht wesentlich stärker gelockert als bei vergleichbaren Versicherten im Inland, denn der Auslandsaufenthalt sei durch das befristete Stipendium des Ehemannes und die mögliche Dauer des Erziehungsurlaubs von vornherein zeitlich begrenzt und nicht auf Dauer angelegt gewesen. Die Voraussetzungen im Sinne des § 56 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch (SGB) VI seien damit erfüllt.

Die Beklagte hat ihre Berufung damit begründet, dass eine Anerkennung von Kindererziehungszeiten im Ausland nach § 56 Abs. 3 Satz 2 SGB VI immer voraussetze, dass während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer im Ausland ausgeübten Beschäftigung oder Tätigkeit Pflichtbeiträge vorliegen oder wenigstens ein Rumpfarbeitsverhältnis bestand, weil allein in diesen Fällen von einer fortbestehenden Inlandsintegration ausgegangen werden könne. Die besonderen Voraussetzungen, unter denen der Gesetzgeber Kindererziehungszeiten im Ausland berücksichtige, erfülle die Klägerin nicht.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. August 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin und der Beigeladene beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.

Im Laufe des Berufungsverfahrens hat sich der Beigeladene mit Schreiben vom 28. August 2005 mit der Zuordnung der streitigen rentenrechtlichen Zeiten wegen Kindererziehung zur Klägerin endgültig einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich der Akte des SG - S 11 RA 1751/02 -) und Beklagtenakten () verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist begründet.

Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, die streitigen Zeiten als Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten festzustellen. Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden vielmehr zutreffend zugrunde gelegt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die begehrte Feststellung nach § 149 Abs. 5 SGB VI nicht erfüllt sind.

Kindererziehungszeiten sind nach § 56 Abs. 1 SGB VI Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für einen Elternteil wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn

1. die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist,

2. die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschl...

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