Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsunfall, Rente, Epilepsie. Unfallfolge. MdE. Ursächlicher Zusammenhang. Wesentliche Bedingung. Kopfschmerzen. Kreuzbandruptur. LWS-Beschwerden. Beinlängenverkürzung. Psychische Erkrankung. Sachverständiger. Gesetzliche Unfallversicherung. Verletztenrente nach Arbeitsunfall. Bemessung des Grades der MdE als Tatsachenfeststellung. Kausalzusammenhang zwischen Schädelhirntrauma und posttraumatischer Epilepsie. Befragung des Sachverständigen im Termin
Leitsatz (redaktionell)
Eine Erkrankung ist nur dann als Unfallfolge anzuerkennen, wenn sie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf dem schädigenden Ereignis beruht. Dies setzt voraus, dass bei vernünftiger Abwägung den für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umständen ein so deutliches Gewicht zukommt, dass die richterliche Überzeugung darauf gestützt werden kann. Es genügt nicht, dass der ursächliche Zusammenhang bloß möglich ist.
Orientierungssatz
1. Die Bemessung des Grades der MdE wird als Tatsachenfeststellung gewertet, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind.
2. Im Unfallversicherungsrecht gilt für die haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung. Danach ist eine Bedingung als (mit-)ursächlich anzusehen, wenn sie im Verhältnis zu anderen Einzelbedingungen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen hat. Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen schädigender Einwirkung und Erkrankung ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend.
3. Den Beteiligten steht unabhängig von der im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts stehenden Möglichkeit, das Erscheinen des Sachverständigen im Termin anzuordnen, gemäß § 116 S. 2 SGG, § 118 Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. §§ 397, 402, 411 Abs. 4 ZPO das Recht zu, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache für dienlich erachten. Eine Form für die Befragung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, so dass sie sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen kann. Die erläuterungsbedürftigen Punkte sind dem Gericht rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung schriftlich mitzuteilen und die aufgeworfenen Fragen sollen objektiv sachdienlich sein.
Normenkette
SGB VI § 56; SGG § 128 Abs. 1 S. 1; ZPO § 411 Abs. 4
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 26. Juni 2003 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit ist die Gewährung einer Rente für die Folgen eines Arbeitsunfalls des Klägers vom 22. Juli 1996.
Der 1965 geborene Kläger war in Ausübung seines Berufes als Fassadenmonteur und damit als Beschäftigter seinerzeit gemäß § 539 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) auf dem Weg zu einer Baustelle seines damaligen Arbeitgebers, der J & Co. Werkstätten für Stahl- und Metallkonstruktionen, G. Er war Fahrer eines Pkw auf der A 2, als er am 22. Juli 1996 um 06.15 Uhr mit einem entgegenkommenden Fahrzeug frontal zusammenstieß und dabei verletzt wurde.
Der Kläger befand sich zur stationären Behandlung im Kreiskrankenhaus Bin der Zeit vom 22. Juli bis 02. August 1996. Diagnostiziert wurde:
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1. |
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Geschlossene, drittgradig dislozierte Etagenfraktur des linken Oberschenkels. |
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2. |
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Schädelhirntrauma 1. Grades mit 10 min. Bewusstlosigkeit. |
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3. |
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Strecksehnenabriss am Endglied des rechten Daumens im ligamentären Bereich. |
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5. |
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10 cm große Wunde über dem linken Tibiakopf. |
Am 02. Dezember 1996 nahm der Kläger die Arbeit bei seinem Arbeitgeber wieder auf und verrichtete dort die gleichen Arbeiten wie vor dem Unfall. Ab Januar 1999 setzte dauerhafte Arbeitslosigkeit ein.
Die Beklagte nahm Ablichtungen aus der Staatsanwaltlichen Ermittlungsakte (44 JS 18325/96) zu ihren Akten. In jenem Verfahren war gegen den Kläger wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung ermittelt worden. Er hatte dort angegeben, sich nicht erinnern zu können, wie es zu dem Unfall gekommen sei. Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt.
Im Arztbericht (Nachtrag) vom 22. Oktober 1998 berichtet Dipl.-Med. H dass der Kläger in letzter Zeit mehrmals Krampfanfälle gehabt habe, die auf das SHT zurückzuführen sein könnten. Sie bitte, dies bei der Bewertung der Unfallfolgen zu berücksichtigen...