Entscheidungsstichwort (Thema)

Individualbudget. Neuberechnung. längere Erkrankung im Bemessungszeitraum. Bemessung anhand der letzten vier zuvor "normal" angerechneten Quartale. Bemessung des Individualbudgets eines Vertragsarztes nach dessen krankheitsbedingten Ruhen seiner Zulassung

 

Orientierungssatz

1. Die Höhe des maximal abrechenbaren individuellen Punktzahlvolumens eines Vertragsarztes ist einer eigenständigen Klärung auch losgelöst von der Anfechtung eines konkreten Honorarbescheides zugänglich. Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis besteht, weil die Klärung einen höheren Honoraranspruch nach sich ziehen kann.

2. Die Kassenärztliche Vereinigung kann in ihrem Honorarverteilungsmaßstab den Neu- und Jungpraxen als typischerweise unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen einen Zuwachs bis zum durchschnittlichen Punktzahlengrenzwert ihrer Fachgruppe gestatten.

3. Diese Regelung gilt für eine Altpraxis dann nicht, wenn die Zulassung des Vertragsarztes krankheitsbedingt vorübergehend geruht hat, der Vertragsarzt aber vor seiner Erkrankung mit seinen Quartalsumsätzen über dem Fachgruppendurchschnitt gelegen hat. In einem solchen Fall erscheint es angemessen, dessen Individualbudget nach den letzten zusammenhängenden abgerechneten Quartalen vor Beginn der Erkrankung zu bemessen.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Februar 2007 wird aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2004 sowie der Bescheid vom 15. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2005 werden geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, über das Individualbudget der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe des für die Klägerin festzusetzenden Individualbudgets.

Die Klägerin nimmt seit 1991 als Fachärztin für Allgemeinmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung teil.

Vom 8. Mai 2001 bis zum 16. November 2001 war sie arbeitsunfähig, teilweise arbeitsfähig vom 17. November 2001 bis zum 31. Januar 2002, wiederum arbeitsunfähig vom 21. Mai 2002 bis zum 2. Dezember 2002 und nur teilweise arbeitsfähig vom 3. Dezember 2002 bis zum 3. März 2003. Krankheitsbedingt ruhte ihre Zulassung vom 25. Juli 2001 bis zum 31. Oktober 2001 und vom 12. September 2002 bis zum 30. November 2002.

Quartalsumsätze und Punktzahlvolumina entwickelten sich angesichts dessen in den Quartalen I/2000 bis II/2003 wie folgt:

Quartal

Für die Berechnung des

Individualbudgets zu

berücksichtigender Umsatz

Punktzahlvolumen

(*10/0,511292)

Primärkassen

Ersatzkassen

Primärkassen

Ersatzkassen

I/2000

6.998,71 €

18.075,68 €

136.882

353.529

II/2000

7.680,30 €

20.580,22 €

150.213

402.514

III/2000

7.571,25 €

17.505,47 €

144.962

342.377

IV/2000

8.561,49 €

21.273,50 €

167.448

416.073

I/2001

8.603,63 €

18.293,94 €

168.272

357.798

II/2001

4.599,68 €

10.762,75 €

 89.961

210.501

III/2001

0,00 €

0,00 €

0       

0       

IV/2001

4.460,41 €

9.869,99 €

 87.238

193.040

I/2002

7.218,49 €

14.975,47 €

141.181

292.894

II/2002

0,00 €

0,00 €

0       

0       

III/2002

4.500,45 €

9.984,53 €

88.021

195.280

IV/2002

984,75 €

2.176,62 €

19.260

42.570

I/2003

4.918,99 €

9.019,71 €

96.207

196.410

II/2003

5.743,76 €

14.288,83 €

112.338

279.465

Nach § 9 Abs. 1 des seit dem 1. Juli 2003 geltenden Honorarverteilungsmaßstabes der Beklagten (HVM) erhalten - “nach Maßgabe des § 85 Abs. 4 SGB V„ - alle an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Psychotherapeuten für punktzahlbewertete Leistungen ein maximal abrechenbares individuelles Punktzahlvolumen (Individualbudget). § 9 Abs. 2 HVM regelt: Leistungen, die über das maximal abrechenbare individuelle Punktvolumen hinaus abgerechnet werden, unterliegen einer Kürzung auf dieses Punktvolumen. Die nach Kürzung verbleibenden maximal zulässigen punktzahlbewerteten Leistungen werden mit einer Fachgruppenquote multipliziert. Das sich daraus ergebende individuelle Punktzahlvolumen wird mit 5,11 Cent vergütet. Die Fachgruppenquote ergibt sich, indem die zur Vergütung stehende Honorarsumme der Fachgruppe, nach vorherigem Abzug der Eigenlabor-Analysekosten der Fachgruppe, durch das Produkt des maximal zulässigen Punktzahlvolumens der Fachgruppe mit 5,11292 Cent dividiert wird. Nach § 9 Abs. 3 HVM werden für die jeweiligen Fachgruppen durchschnittliche Punktzahlengrenzwerte ermittelt; für Allgemeinmediziner beträgt der Fachgruppengrenzwert 324.004 Punkte (Primärkassen) bzw. 243.005 Punkte (Ersatzkassen). Die Berechnung des Individualbudgets erfolgt nach § 9 Abs. 4 HVM grundsätzlich auf Basis des Bemessungszeitraums der Quartale I/2002 bis IV/2002.

Die Beklagte berechnete das Individualbudget der Klägerin zunächst nach dem Durchschnitt der Quartale I bis IV/2002 und kam dabei zu durchschnittlichen Individualbudget-Umsätzen pro Quartal in Höhe von 4.234,56 Euro (Primärkassen, entsprechend 82.821 P...

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