Entscheidungsstichwort (Thema)
Bildung des Gesamtgrades der Behinderung im Schwerbehindertenrecht
Orientierungssatz
1. Bei der Bildung des Gesamt-GdB nach § 69 Abs. 3 SGB 9 ist von der Funktionsstörung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird.
2. Aus einem GdB von 30 für den Verlust einer Niere, einem GdB von 20 für eine Arthrose der Kniegelenke und einem solchen von jeweils 10 für geringgradige Funktionsstörungen der Wirbelsäule bzw. psychische Störungen ist ein Gesamt-GdB von 40 zu bilden.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. September 2011 wird zurückgewiesen.
Eine Kostenerstattung findet auch für das Berufungsverfahren nicht statt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50.
Auf den Antrag der 1957 geborenen Klägerin vom 31. Oktober 2007 stellte der Beklagte nach versorgungsärztlicher Auswertung der eingeholten ärztlichen Unterlagen bei ihr mit Bescheid vom 10. November 2008 einen GdB von 30 fest. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Der Beklagte holte Befundberichte und die Gutachten des Orthopäden Dr. V vom 18. August 2009 und der Nervenärztin Dr. W vom 1. Februar 2010 ein. Auf deren Grundlage hob der Beklagte bei der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2010 den GdB auf 40 an und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Dem legte er folgende (verwaltungsintern mit den aus den Klammerzusätzen ersichtlichen Einzel-GdB bewertete) Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde:
a) Verlust der Niere links (30),
b) Knorpelschaden am Kniegelenk beidseits, Funktionsstörung durch Fußfehlform beidseits (20),
c) Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (10),
d) psychosomatische Störungen (10).
Mit der Klage bei dem Sozialgericht Berlin hat die Klägerin die Feststellung eines GdB von mindestens 50 begehrt. Das Sozialgericht hat neben Befundberichten das Gutachten der Allgemeinmedizinerin Dr. B vom 22. Juni 2011 eingeholt, die als weitere Behinderung mit einem Einzel-GdB von 10 eine Stressinkontinenz ermittelt, im Übrigen jedoch die Bewertung des Beklagten bestätigt hat.
Mit Urteil vom 27. September 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es ist hierbei im Wesentlichen der Sachverständigen gefolgt.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Ansicht, ein GdB von 40 werde ihrem Leidenszustand nicht gerecht.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des Gutachtens des Orthopäden Dr. W vom 27. Juni 2012, der nach Untersuchung der Klägerin die Kniegelenkarthrose mit einem Einzel-GdB von 20 und das Wirbelsäulenleiden mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet hat.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. September 2011 aufzuheben sowie den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 10. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2010 zu verpflichten, bei ihr mit Wirkung ab 31. Oktober 2007 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält an seiner Entscheidung fest.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen. Denn sie hat keinen Anspruch auf Festsetzung eines GdB von 50.
Nach den §§ 2 Abs. 1, 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) sind die Auswirkungen der länger als sechs Monate anhaltenden Funktionsstörungen nach Zehnergraden abgestuft entsprechend den Maßstäben des § 30 Bundesversorgungsgesetz zu bewerten. Hierbei sind als antizipierte Sachverständigengutachten die vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegebenen Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) heranzuziehen, und zwar entsprechend dem streitgegenständlichen Zeitraum in den Fassungen von 2005 und 2008. Seit dem 1. Januar 2009 sind die in der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) festgelegten “Versorgungsmedizinischen Grundsätze„ in Form einer Rechtsverordnung in Kraft, welche die AHP - ohne dass hinsichtlich der medizinischen Bewertung eine grundsätzliche Änderung eingetreten wäre - abgelöst haben.
Der Verlust einer Niere ist nach Nr. 26.12 der AHP bzw. Teil B Nr. 12.1.1 der Anlage zu der VersMedV mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten.
Der Senat folgt der Einschätzung des Orthopäden Dr. W im Gutachten vom 27. Juni 2012, für die Arthrose der Kniegelenke einen Einzel-...