Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einer Pflegekraft

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

2. Ist eine ambulante Pflegekraft in die Arbeitsorganisation ihres Auftraggebers eingegliedert und diesem gegenüber weisungsgebunden, unterliegt sie einer Dokumentationspflicht der verrichteten Pflegetätigkeit, erfolgt die Vergütung nach einem vereinbarten Stundensatz und hat sie ein unternehmerisches Risiko nicht zu tragen, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Juli 2018 aufgehoben. Die Klagen werden abgewiesen.

Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Klägers zu 2) in seiner Tätigkeit als Pflegekraft in der Zeit vom 1. Oktober 2012 bis zum 31. Dezember 2013.

Die Klägerin zu 1) ist ein zur DKV-Gruppe (E Versicherungsgruppe) gehörendes Unternehmen, welches u. a. ambulante Pflegedienste anbietet. Sie beschäftigt sowohl feste Mitarbeiter als auch sogenannte „freiberufliche Pflegekräfte“, die aufgrund einer „Dienstleistungsvereinbarung“ für sie tätig wurden. Derartige „Dienstleistungsvereinbarungen“ schloss die Klägerin zu 1) auch mit dem Kläger zu 2) in dem streitbefangenen Zeitraum. Für die Klägerin zu 1) handelte insoweit jeweils ihre Pflegedienstleiterin, Frau N. In den Dienstleistungsvereinbarungen wurde zunächst ein Honorar in Höhe von 24,00 Euro pro Stunde vereinbart. Dieses wurde erst auf 22,00 € verringert und dann, im Laufe der Tätigkeit des Klägers zu 2), stufenweise auf 28,00 € erhöht. In den Dienstleistungsvereinbarungen wurden auch die Dienstzeiten des Klägers zu 2) festgelegt. So heißt es in der Dienstleistungsvereinbarung für Oktober 2012 beispielsweise:

 „ Hiermit bestätigen wir folgende Dienste:

 01.10.2012 bis 05.10.2012 Spätdienst 16.00 bis 24.00 Uhr 40 Stunden

 08.10.2012 bis 09.10.2012 Frühdienst 08.00 bis 16.00 Uhr 16 Stunden

 11.10.2012 bis 16.10.2012 Spätdienst 16.00 bis 24.00 Uhr 56 Stunden

 20.10.2012 bis 24.10.2012 Frühdienst 08.00 bis 16.00 Uhr 40 Stunden

 28.10.2012 bis 31.10.2012 Frühdienst 08.00 bis 16.00 Uhr 32 Stunden,

 geändert 26.12.2012

 (Pro Arbeitstag wird mit 8 Stunden berechnet, Abweichungen sind mit Absprache möglich)“

Der Kläger war in dem streitbefangenen Zeitraum in einem Umfang tätig, der regelmäßig den Umfang einer Vollzeittätigkeit überstieg. Sein Tätigkeitsumfang stellt sich u. a. wie folgt dar:

Oktober 2012

184 Stunden

 Vergütung: 4057,00 €

November 2012

188 Stunden

 Vergütung: 4208,00 €

Dezember 2012

167 Stunden

 Vergütung: 3674,00 €

Januar 2013

204 Stunden

 Vergütung: 4488,00 €

Februar 2013

188 Stunden

Vergütung: 4290,00 €

März 2013

227,55 Stunden

Vergütung: 5226,00 €

April 2013

195 Stunden

Vergütung: 4209,00 €

Mai 2013

183 Stunden

Vergütung: 4392,00 €

Juni 2013

214 Stunden

Vergütung: 5136,00 €

September 2013

184 Stunden

Vergütung: 4968,00 €

Oktober 2013

 272 Stunden

Vergütung: 7616,00 €

Auf die entsprechenden Dienstleistungsvereinbarungen und Rechnungen des Klägers zu 2) wird Bezug genommen.

In der Zeit vom 1. Oktober 2012 bis zum 31. Dezember 2013 hat der Kläger zu 2) ausschließlich den Patienten U R betreut. Der privat bei der DKV krankenversicherte 81-jährige Patient musste wegen einer Herz- und Lungenerkrankung beatmet werden. Neben dem Kläger zu 2) wurde der Patient zudem noch von festangestellten Mitarbeitern der Klägerin zu 1) versorgt. Nach Angaben des Klägers zu 2) unterschied sich seine Tätigkeit von der Tätigkeit der festangestellten Pfleger nicht.

Am 26. Juni 2013 beantragte die Klägerin zu 1) die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers zu 2). Sie beantragte festzustellen, dass eine Beschäftigung vorliege. Sie beschrieb die ausgeübte Tätigkeit wie folgt: „Tätigkeit im Rahmen der ambulanten Krankenpflege, Tätigkeiten im Beatmungsbereich. Die Tätigkeiten erfolgen unter Absprache mit der Pflegedienstleistung der m Pflegedienst B GmbH (Auftraggeber). Die erforderlichen Aufträge werden dem Auftragnehmer angeboten. Der Auftragnehmer entscheidet über die Annahme des Auftrages. Die Tätigkeiten werden beim Kunden/Patienten der m Pflegedienst B GmbH, in dessen häuslichem Umfeld erbracht. Eingliederung im Dienstplan und ins Team soweit erforderlich. Die Preisgestaltung wird im Einzelfall abgesprochen und geregelt.“

In einem weiteren Schreiben vom 25. Juli 2013 gab die Kläg...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?