Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für die Aberkennung der Schwerbehinderung

 

Orientierungssatz

Parallelentscheidung zu dem Urteil des LSG Berlin-Potsdam vom 11.11.2021 - L 13 SB 280/19, das vollständig dokumentiert ist.

 

Normenkette

SGB IX § 152 Abs. 1 Sätze 1-2; SGB X § 33 Abs. 1, § 37 Abs. 2, § 48 Abs. 1; VwVfG § 37 Abs. 1; BGB § 291; ZPO § 253 Abs. 1, § 261 Abs. 1; SGG §§ 90, 94, 193

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.06.2023; Aktenzeichen B 9 SB 3/22 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 10. September 2019 geändert und der Bescheid des Beklagten vom 19. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2017 aufgehoben, soweit darin unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 21. März 2011 bei dem Kläger ein Grad der Behinderung von weniger als 50 festgestellt worden ist.

Der Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten des Verfahrens in erster Instanz zur Hälfte und des Berufungsverfahrens zur Gänze zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der 1981 geborene Kläger wendet sich gegen die Absenkung des bei ihm ursprünglich festgestellten Grades der Behinderung (GdB) auf weniger als 50.

Nach operativer Entfernung der Schilddrüse hatte der Beklagte mit Bescheid vom 21. November 2011 beim Kläger einen GdB von 80 festgestellt. Im September 2016 leitete er ein Überprüfungsverfahren ein und stellte mit Bescheid vom 19. Juni 2017 fest, dass der GdB beim Kläger nunmehr 20 betrage und der Bescheid vom 21. März 2011 entsprechend mit Wirkung „ab Bekanntgabe“ des Herabsetzungsbescheides aufgehoben werde. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2017 zurück.

Mit der am 29. November 2017 erhobenen Klage hat der Kläger sich ursprünglich gegen die Absenkung in Gänze gewandt und vorgebracht, der Beklagte habe eine bei ihm bestehende allergische Erkrankung nicht berücksichtigt, diese müsse mit einem GdB von zumindest 40 in die Bewertung eingehen. Darüber hinaus sei er durch die erlittene Krebserkrankung und die dauerhaft nötige Einnahme von Medikamenten starken Stimmungsschwankungen und psychischen Belastungen unterworfen, die ihrerseits mit einem GdB von nicht weniger als 30 zu bewerten seien. Weiterhin bestünden Magenkrämpfe und auch eine Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule. Der Kläger hat sein Begehren in der mündlichen Verhandlung auf den Antrag beschränkt, den Bescheid vom 19. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2017 aufzuheben, soweit damit ein geringerer Gesamt-GdB als 50 festgestellt worden ist. Mit Urteil vom 10. Dezember 2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Bescheid vom 19. Juni 2017 gelte aufgrund der Bestimmung in § 37 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) spätestens am 22. Juni 2017 als bekanntgegeben und entfalte daher ab jenem Tag seine Wirkung. Ein höherer Gesamt-GdB als 40 (gemeint ist wohl 20) lasse sich zu diesem Zeitpunkt nicht feststellen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen, das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 20. Dezember 2019 zugestellt worden ist.

Mit der am 13. Januar 2020 eingelegten Berufung hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und ausgeführt, die Absenkung des GdB von 80 auf 20 sei schon deshalb fehlerhaft, weil der ärztliche Dienst des Beklagten in seiner Stellungnahme vom 23. Februar 2017 einen GdB von 30 empfohlen habe. Er leide unter einer allergischen Erkrankung mit erheblicher Beeinträchtigung der Haut, für die ein GdB von mindestens 40 anzusetzen sei. Daneben trete ein Asthma bronchiale auf, das ebenfalls mit einem GdB von 40 zu bewerten sei. Nach der Entfernung der Schilddrüse wegen einer Krebserkrankung leide er unter erheblicher Angst und sei psychisch deutlich beeinträchtigt. Auch dies resultiere in einem GdB von mindestens 30. Daneben bestehende Funktionsbeeinträchtigungen an Niere und Magen rechtfertigten weitere GdB von 20 bis 30. Auch die Wirbelsäulenerkrankung sei zu Unrecht unberücksichtigt geblieben.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Allgemeinmedizin und Diplom-Psychologen B, der den Kläger am 26. September 2020 untersucht hat und in seinem Gutachten vom 23, Oktober 2020 zu der Einschätzung gelangt ist, der Kläger habe im maßgeblichen Zeitpunkt Juni 2017 unter einer Somatisierungsstörung mit einem GdB von 20, allergischem Asthma mit einem GdB von 10 und einem Nierensteinleiden mit einem GdB von ebenfalls 10 gelitten. Insgesamt sei zu diesem Zeitpunkt der GdB mit 20 zutreffend bewertet worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 10. Dezember 2019 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 19. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2017 aufzuheben, soweit darin bei ihm unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 21. März 2011 ein Grad der Behinderung von weniger als 50 festgestel...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge