Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Ruhen des Krankengeldes. Folgearbeitsunfähigkeit. keine Ausstellung einer ärztlichen Bescheinigung. Muster 52. verspätete Meldung. Sphäre des Vertragsarztes. Zurechnung
Leitsatz (amtlich)
1. Der von der Vertragsärztin/dem Vertragsarzt auf Anforderung der Krankenkasse für diese zu fertigende Bericht über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit (Muster 52) genügt für den Erhalt des Krankengeldanspruchs.
2. Wird neben dem Bericht über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit (Muster 52) trotz festgestellter Arbeitsunfähigkeit keine Folge-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt mit dem an die/den Versicherte/n gerichteten Hinweis, der Bericht werde kurzfristig der Krankenkasse übersandt, welches für die Weitergewährung von Krankengeld ausreichend sei, so darf die Krankenkasse die verspätete Meldung gegenüber dem Krankengeldanspruch nicht einwenden. Vielmehr fällt dies in die Sphäre des Vertragsarztes und ist auch der Krankenkasse zuzurechnen.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. April 2018 geändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 30. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. August 2016 verurteilt, der Klägerin Krankengeld auch für die Zeit vom 21. Mai 2016 bis 29. Mai 2016 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im gesamten Verfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt noch die Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 21. bis 29. Mai 2016.
Die 1982 geborene Klägerin war bei der beklagten Krankenkasse als Beschäftigte in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Am 2. Februar 2016 erkrankte sie arbeitsunfähig. Die Beklagte zahlte ihr nach Auslaufen der Entgeltfortzahlung ab 15. März 2016 Krankengeld in Höhe eines Tagessatzes von 46,34 € brutto (40,62 € netto; Bescheid vom 29. März 2016). Mit der Folge-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 2. Mai 2016 bescheinigte die behandelnde Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. G (Dr. G.) Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 20. Mai 2016.
Die Klägerin wurde am 20. Mai 2016 bei Dr. G. vorstellig, die bei ihr eine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit feststellte und hierüber den von der Krankenkasse angeforderten Bericht bei Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit (Muster 52 [1.2016]) fertigte, wonach der Zeitpunkt des Wiedereintritts ihrer Arbeitsfähigkeit nicht absehbar sei. Dieser Bericht ging am 30. Mai 2016 bei der Beklagten ein. Mit der Folgebescheinigung vom 16. Juni 2016, die am 17. Juni 2016 bei der Beklagten einging, bescheinigte Dr. G. Arbeitsunfähigkeit der Klägerin fortlaufend bis voraussichtlich 8. Juli 2016.
Die Beklagte lehnte die Zahlung von Krankengeld über den 20. Mai 2016 hinaus ab. Die Klägerin sei nicht mehr mit einem Anspruch auf Krankengeld bei ihr versichert (Bescheid vom 21. Juni 2016). Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, aufgrund ihres Besuchs am 20. Mai 2016 bei ihrer Ärztin Dr. G. habe diese mit dem Formular 52 ihre weitere Arbeitsunfähigkeit ab 21. Mai bescheinigt. Auf entsprechende Nachfrage habe ihr die Ärztin mitgeteilt, sie, die Klägerin, erhalte keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zur Weiterleitung an die Beklagte, da die Ärztin selbst das Formular 52 an die beklagte Krankenkasse übersenden würde. Auf diese Aussage habe sie vertraut. Dr. G. bestätigte mit einem Schreiben vom 23. Juni 2016, sie habe das ausgefüllte Formular 52 für die Zahlung weiteren Krankengeldes als ausreichend erachtet.
Die Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 20. Mai 2016 wegen einer voraussichtlichen Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bis 16. Juni 2016 ging am 29. Juni 2016 bei der Beklagten ein. Die Beklagte half dem Widerspruch mit Bescheid vom 30. Juni 2016 teilweise unter Gewährung von Krankengeld ab 16. Juni 2016 ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 31. August 2016 wies sie den Widerspruch im Übrigen mit der Begründung zurück, der Anspruch auf Krankengeld habe in der Zeit vom 21. Mai 2016 bis 15. Juni 2016 geruht.
Mit ihrer nachfolgend am 13. September 2016 vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Krankenkasse dürfe Versicherten, die zur Feststellung ihrer fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit zeitgerecht persönlich einen Vertragsarzt aufsuchten, die Zahlung von Krankengeld nicht verweigern, wenn der Arzt die Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung irrtümlich aus nichtmedizinischen Gründen unterlasse.
Mit Urteil vom 27. April 2018 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 30. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. August 2016 verpflichtet, der Klägerin Krankengeld für die Zeit vom 30. Mai 2016 bis 15. Juni 2016 zu leisten. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin zwar im gegenständlichen Zeitraum arbeitsunfähig gewesen sei, der Krankengeldanspruch aber ruhe, weil die Meldefrist von einer Woche nicht gewahrt se...