Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten. Zuordnung bei fehlender übereinstimmender Erklärung der Eltern. Anerkenntnisurteil im sozialgerichtlichen Verfahren
Orientierungssatz
1. Sind beide Eltern in einem bestimmten Zeitraum nicht erwerbstätig und leben sie mit einem kleinen Kind in häuslicher Gemeinschaft, so ist beim Fehlen einer gemeinsamen Erklärung über die rentenrechtliche Zuordnung von Kindererziehungszeiten jedenfalls nicht ohne weiteres von einer überwiegenden Erziehung durch einen der Elternteile auszugehen. Vielmehr sind in einem solchen Fall die Kindererziehungszeiten im Zweifel der Mutter zuzuordnen.
2. Im Streit um die Zuerkennung von Kindererziehungszeiten ist beim Fehlen einer übereinstimmenden Erklärung der Eltern über die rentenrechtliche Aufteilung der Zeiten jedenfalls bei einem Kleinstkind regelmäßig davon auszugehen, dass es in den ersten Wochen überwiegend von der Mutter versorgt wird, soweit es mit ihr in häuslicher Gemeinschaft lebt.
3. Nimmt ein Kläger im sozialgerichtlichen Verfahren das vom Beklagten abgegebene Anerkenntnis nicht an, so kann das Gericht ein Anerkenntnisurteil erlassen.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. März 2012 geändert.
Die Beklagte wird entsprechend ihrem Anerkenntnis vom 26. April 2013 unter Änderung des Bescheides vom 16. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2009 verurteilt, im Versichertenkonto des Klägers für die Erziehung der am 05. Mai 2002 geborenen Tochter J J vom 01. Mai 2004 bis zum 31. Mai 2005 Kindererziehungszeiten und vom 01. Mai 2004 bis zum 29. Februar 2008 Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vorzumerken.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Verpflichtung der Beklagten, für den Kläger rückwirkend Kindererziehungszeiten (KEZ) sowie Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (KBZ) für die Erziehung seiner Tochter J J vorzumerken.
Der 1950 geborene Kläger ist mit der 1971 geborenen und seit April 2001 in B lebenden Beigeladenen verheiratet. Am 05. Mai 2002 wurde ihre gemeinsame Tochter J geboren.
Mit Schreiben vom 29. Mai 2002 wies die Datenstelle der Rentenversicherungsträger die Beigeladene darauf hin, dass bei einer gemeinsamen Erziehung des Kindes durch eine übereinstimmende Erklärung von Mutter und Vater des Kindes die Erziehungszeiten untereinander aufgeteilt werden könnten. Weiter hieß es, diese Zeiten könnten mit Wirkung für künftige Kalendermonate und für zwei Kalendermonate rückwirkend dem anderen Elternteil zugeordnet werden.
Mit Schreiben vom 27. April 2008, bei der Beklagten eingegangen am 09. Mai 2008, bat die Beigeladene um Vormerkung von drei Jahren KEZ in ihrem Versicherungskonto.
Am 16. Mai 2008 ging bei der Beklagten ein Fax des Klägers vom gleichen Tag ein, mit dem dieser beantragte, die KEZ und die KBZ für seine Tochter J in seinem Versicherungsverlauf zu berücksichtigen, da er überwiegend seine Tochter erzogen habe. Mit Schreiben vom 20. Mai 2008 legte der Kläger einen von ihm ausgefüllten Antrag auf Feststellung von KEZ/KBZ wegen Kindererziehung bei der Beklagten vor. Nach den dortigen Angaben war die Tochter J gemeinsam mit dem anderen Elternteil erzogen worden, was von der Beigeladenen mit ihrer Unterschrift bestätigt wurde. Weiter legte er eine Erklärung über die Zuordnung von KEZ/KBZ bei gemeinsamer Erziehung vor, die von ihm und der Beigeladenen unterschrieben worden war. Danach sollten die KEZ für die Tochter J von Mai 2002 bis April 2005 dem Kläger zugeordnet werden. Außerdem sollten die KBZ für J von Mai 2002 bis April 2012 ebenfalls dem Kläger zugeordnet werden.
Mit Bescheid vom 16. Juli 2008 lehnte die Beklagte die Vormerkung von KEZ für den Kläger für die Zeit vom 01. Juni 2002 bis zum 31. Mai 2005 ab, weil eine rückwirkende Zuordnung nur für längstens zwei Kalendermonate vor Abgabe der übereinstimmenden Erklärung zulässig sei. Ferner lehnte sie die Vormerkung von KBZ für die Zeit vom 05. Mai 2002 bis zum 29. Februar 2008 mit gleicher Begründung ab. Über die Zeiten könne vorerst nur bis zu dem im Bescheid angegebenen Zeitpunkt entschieden werden.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, die Beklagte sei vom Standesamt über die Geburt der Tochter J informiert worden. Er selber habe am 20. Mai 2002 beantragt, dass ihm die KEZ zu seinem Rentenkonto angerechnet werden sollten. Eine Erklärung über die alleinige Anrechnung der KEZ zu seinem Rentenkonto, ausgefertigt von der Beigeladenen, habe diesem Antrag beigelegen.
Nachdem die Beklagte festgestellt hatte, dass die angegebene Beantragung nicht im Versicherungskonto des Klägers dokumentiert war, bat sie den Kläger, die Antragsbestätigung vom 20. Mai 2002 zu übersenden. Darauf gab der Kläger an, dass er eine solche Bestätigung nicht zur Hand habe.
Mit Schreib...