Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss einer Versorgung des an einer Stoffwechselerkrankung leidenden Versicherten mit dem Vibrationsgerät Galileo
Orientierungssatz
1. Ein Anspruch des Versicherten auf ein Hilfsmittel, welches als untrennbarer Bestandteil einer vertragsärztlichen Behandlungsmethode eingesetzt wird, ist erst dann gegeben, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss die neue Behandlungsmethode nach § 135 SGB 5 positiv bewertet hat.
2. Selbst wenn das Vibrationsgerät Galileo im Rahmen einer biomechanischen Ganzkörpervibrationstherapie innerhalb der Physiotherapie zum Einsatz gelangt, muss zur Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitssicherung für die Anwendung in der Häuslichkeit des Versicherten der Geräteeinsatz von einer eigenen positiven Empfehlung nach § 135 SGB 5 abhängig gemacht werden.
3. An einer derartigen Anerkennung der Methode durch den Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 135 SGB 5 fehlt es. Damit ist die Krankenkasse nicht verpflichtet, den Versicherten mit dem Vibrationsgerät Galileo zu versorgen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialrechts Berlin vom 22. Januar 2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Erstattung von Kosten für die Anschaffung eines Galileo® Typ Basic mit Wobbler.
Der am 9. Juni 2013 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er leidet seit seiner Geburt an einer Stoffwechselerkrankung in Gestalt einer Glykogenose Typ Ia. Dabei ist durch einen Enzymmangel die Bereitstellung von Glukose beeinträchtigt, wodurch es zu lebensbedrohlichen Unterzuckerungen mit Laktaterhöhung kommt. Konkret können die Betroffenen das in der Leber als Energiespeicher angereicherte Glykogen nicht nutzen, um in Phasen ohne Nahrungsaufnahme den Blutzuckerspiegel im Normbereich zu halten. Durch eine diätetische Behandlung und u.a. eine kontinuierliche Ernährung über eine PEG-(Magen-)Sonde sollen Hypoglykämien und sekundäre Schädigungen vermieden werden. Aufgrund der Stoffwechselerkrankung leidet der Kläger an einem Grand-Mal-Status (G41.0) und es ist zu neurologischen Beeinträchtigungen gekommen. Er leidet an zentralen Bewegungsstörungen, muskulärer Hypotonie, einer Entwicklungsverzögerung und Seh- und Koordinationsschwierigkeiten.
Er erhielt mehrmals wöchentlich Physiotherapie. Im Rahmen dieser Therapie kamen auch Übungen auf einem Galileo®-Gerät zur Anwendung. Dabei handelt es sich um ein Vibrationsgerät zur Durchführung einer biomechanischen Ganzkörpervibrationstherapie. Dazu vibriert eine Vibrationsplatte, auf welche sich die Nutzer stellen (oder teilweise legen), abwechselnd auf der linken und auf der rechten Seite wie eine Wippe, um das Bewegungsmuster ähnlich dem menschlichen Gang zu simulieren. Nach Angaben des Herstellers sollen durch diese seitenalternierende Bewegung der Platte neuromuskuläre Reflexe ausgelöst werden. Die Verbesserung der neuromuskulären Funktionen ermögliche eine Zunahme der Bewegungsaktivitäten mit zunehmendem Aufbau bzw. Kräftigung der Muskulatur. Als Folge des Muskelkraftzuwachses komme es zu einer Zunahme der Knochenmasse. Durch die regelmäßige Aktivierung der neuromuskulären Reflexbögen werde auch die inter- und intramuskuläre Koordination verbessert und es komme zu einer Verbesserung der Körperkoordination. Für Kinder und Jugendliche, die nicht in der Lage seien, auf einem Galileo®-Standsystem zu trainieren, sei das Vibrationssystem angepasst.
Die zusätzliche Wobbel-Fernbedienung ermöglicht eine Therapie mit sich zufällig ändernden Frequenzen, so dass der Patient nicht vorhersehen kann, wie sich die Frequenz im Verlauf der Anwendung verändert.
Der Kläger hat einen Grad der Behinderung von 80, Merkzeichen G, H und B. Er hatte 2014 die Pflegestufe II (seit 2017: Pflegegrad 4).
Unter Vorlage einer Befürwortung des Sozialpädiatrischen Zentrum für chronisch kranke Kinder (SPZ) der Charité beantragte der Kläger mit Schreiben vom 1. Oktober 2014 bei der Beklagten die Bereitstellung eines Galileo®-Gerätes mit Wobbelfunktion für die Behandlung zu Hause. Die Weiterführung der Therapie sei im Hinblick auf den zeitlichen Aufwand gefährdet, der sich aus der Anfahrt von viermal pro Woche zur Physiotherapiepraxis einschließlich der zweistündlich erfolgenden Nahrungszugabe mit zusätzlichem häufigem Erbrechen ergebe. Damit die ambulante Leistung aufrechterhalten werden könne, benötige der Kläger das Gerät zuhause.
Mit Bescheid vom 20. Oktober 2014 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für einen Galileo®-Trainer ab, da der medizinische Nutzen für diesen bislang nicht nachgewiesen sei. Auf den vom Kläger mit Schreiben vom 18. November 2014 formulierten Widerspruch holte die Beklagte insgesamt MDK-Gutachten ein:
-am 5. Dezember 2014 durch Dr. I. N, die eine Anwendung des Geräts in der Häuslichkeit u.a. deshalb für kontraindiziert hielt, weil der ...