Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Ausschluss einer Leistungspflicht für das Vibrations-Trainingsgerät Galileo R Med

 

Orientierungssatz

1. Bei dem Galileo R-Trainingsgerät Med handelt es sich um ein Hilfsmittel und nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens.

2. Es besteht kein Anspruch auf die Versorgung mit dem Trainingsgerät als Hilfsmittel, weil es an einem dafür erforderlichen positiven Votum des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) fehlt.

3. In Ermangelung eines entsprechenden Antrags der antragsberechtigten Organisationen ist bislang keine Befassung i.S. einer Beratung oder Klärung der Evidenzlage durch den G-BA unternommen worden. Anhaltspunkte dafür, dass insoweit ein Systemversagen vorliegt, weil die antragsberechtigten Organisationen oder der GBA selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß ein solches Verfahren betrieben haben und dies auf eine willkürliche oder sachfremde Untätigkeit oder Verfahrensverzögerung zurückzuführen ist, bestehen nicht.

4. Wissenschaftlich einwandfrei geführte Studien zum therapeutischen Nutzen, gemessen an § 135 SGB 5, gibt es für die Vibrationstherapie nicht.

5. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung begründet keinen Sachleistungsanspruch.

6. Außerhalb der Verträge der besonderen integrierten Versorgung nach § 140a SGB 5 gilt der Vorbehalt des § 135 SGB 5.

7. Ohne eine positive Empfehlung des G-BA kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Nutzung des Trainingsgeräts positive Auswirkungen zur Behandlung einer Erkrankung - hier: Glasknochenkrankheit - hat.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 23.03.2021; Aktenzeichen B 3 KR 54/20 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialrechts Berlin vom 6. März 2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Versorgung mit einem Ganzkörpervibrationsgerät Galileo® S 35.

Die 1964 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie leidet unter anderem an einer Osteogenesis imperfecta (Glasknochenkrankheit). Dabei kam es seit dem Lebensalter von 7 Monaten wiederholt zu Knochenbrüchen (ca. 40 Brüche), u.a. am Schienbein, der Hüfte, des Knies, des Handgelenks. Die Klägerin hat einen Grad der Behinderung (GdB) von 70 ihr wurde das Merkzeichen G zuerkannt. Im Rahmen eines Rechtsstreits vor dem Sozialgericht Berlin begehrt sie die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung sowie weiterer Merkzeichen (S 48 SB 69/19).

Die Klägerin beantragte unter Übersendung einer ärztlichen Verordnung der C H - Zentrum für Muskel- und Knochenforschung vom 15. Februar 2017 sowie eines Angebots der Firma g mit einem Anschaffungspreis in Höhe von 4.284,03 Euro die Versorgung mit bzw. die Übernahme der Miete für ein Galileo-Vibrationstrainingsgerät Galileo® S35. Dabei handelt es sich um ein Vibrationsgerät zur Durchführung einer biomechanischen Ganzkörpervibrationstherapie. Dazu vibriert eine Vibrationsplatte, auf welche sich die Nutzer stellen (oder teilweise legen), abwechselnd auf der linken und auf der rechten Seite wie eine Wippe, um das Bewegungsmuster ähnlich dem menschlichen Gang zu simulieren. Nach Angaben des Herstellers sollen durch diese seitenalternierende Bewegung der Platte neuromuskuläre Reflexe ausgelöst werden. Die Verbesserung der neuromuskulären Funktionen soll eine Zunahme der Bewegungsaktivitäten mit zunehmendem Aufbau bzw. Kräftigung der Muskulatur ermöglichen. Als Folge des Muskelkraftzuwachses soll es zu einer Zunahme der Knochenmasse kommen. Durch die regelmäßige Aktivierung der neuromuskulären Reflexbögen werde - so der Hersteller - auch die inter- und intramuskuläre Koordination verbessert und es komme zu einer Verbesserung der Körperkoordination.

Die Beklagte lehnte eine Kostenübernahme am 6. März 2017 telefonisch und schriftlich unter Berufung darauf ab, dass der medizinisch-therapeutische Nutzen des Hilfsmittels nicht nachgewiesen sei. Die Klägerin erhob Widerspruch unter Hinweis auf ihre persönliche Situation sowie der Einschätzung der behandelnden Ärzte der C. Sie habe bereits in der Vergangenheit bis zu einem Strecksehnenausriss in der C zwei- bis dreimal pro Woche mit dem Galieo®-Vibrationsbrett trainiert und sei auch bereits vom Brett auf die Vibrationsplatte umgestiegen. Außerdem fördere die Beklagte selbst im Rahmen des Konzepts „Auf die Beine“, einer von der Universität K entwickelten Bewegungstherapie, in deren Mittelpunkt das Ganzkörpervibrationstraining mit dem Galileo®-System stehe, eine Anwendung im entsprechenden Training für Kinder. Sie übersandte Veröffentlichungen zu Studien mit dem Gerät.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. März 2018 zurück.

Die Klägerin hat dagegen am 30. April 2018 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben und hat die Übernahme der Anschaffungskosten für das Vibrationsgerät („Galileo-Brett“) begehrt. Da die Beklagte die Versorgung für Versicherte bis zum 28. Lebensjah...

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