Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung im Schwerbehindertenrecht
Orientierungssatz
1. Die VersMedV geben in Nr. 18.2.1 Abs. 3 der Anlage für entzündlich-rheumatische Erkrankungen mit mittelgradigen Auswirkungen einen Rahmen von 50 bis 70 für den festzusetzenden GdB vor. Eine Spondylarthropathia psoriatica mit erheblichen Funktionseinbußen und schwer beeinflussbarer Krankheitsaktivität ist mit einem GdB von wenigstens 50 zu bewerten. Bei Bestehen weiterer Wirbelsäulenerkrankungen ist dieser GdB auf einen solchen von 60 anzuheben.
2. Aus einem entsprechenden GdB von 60 und einem weiteren von 20 für eine Psoriasis vulgaris ist ein Gesamt-GdB von 70 zu bilden.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 4. Juni 2009 geändert sowie der Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 5. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2008 verpflichtet, bei dem Kläger ab dem 7. April 2011 einen Grad der Behinderung von 70 festzustellen.
Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens (zum Az. L 13 SB 77/11) zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB).
Der Beklagte hatte mit Bescheid vom 7. Februar 2007 bei dem 1948 geborenen Kläger ab Oktober 2006 einen GdB von 50 für eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, eine operierte Wirbelsäule, und einen verheilten Wirbelbruch festgestellt.
Am 29. Juni 2009 stellte der Kläger unter Hinweis auf die Verstärkung der Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung in die Beine, Schwindel, Übelkeit und Gleichgewichtsstörungen einen Verschlimmerungsantrag und begehrte ferner die Zuerkennung des Merkzeichens “G„ (erhebliche Gehbehinderung). Nach Einholung von Befundberichten und einer versorgungsärztlichen Stellungnahme lehnte der Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 5. September 2007 ab. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass der bei ihm bestehende Bluthochdruck und die Schuppenflechte nicht berücksichtigt worden seien. Überdies würden die wegen der Wirbelsäulenbeschwerden eingenommenen Schmerzmittel zu psychischen Problem führen. Nach weiteren Ermittlungen hob der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2008 unter Anerkennung der Schuppenflechte als weiterer Funktionsbehinderung mit einem Einzel-GdB von 20 ab Antragstellung den Gesamt-GdB auf 60 an, wies aber den darüber hinausgehenden Widerspruch zurück.
Mit der bei dem Sozialgericht Cottbus erhobenen Klage hat der Kläger die Anerkennung eines GdB von mindestens 70 sowie die Zuerkennung des Merkzeichens “G„ begehrt.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Orthopäden und Sozialmediziners Dr. W vom 28. November 2008 nebst ergänzender Stellungnahme, eingegangen am 7. Mai 2009. Der Sachverständige hat einen Gesamt-GdB von 70 vorgeschlagen. Dem legte er folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde:
a) Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule in mittelschwerem Ausmaß in allen Abschnitten (Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule) und schwerem Ausmaß im lumbodorsalen Übergang (60),
b) Funktionsbehinderung der Hautschutzfunktion durch Schuppenflechte (20),
c) Funktionsbehinderung des Kreislaufsystems im Sinne eines Bluthochdruckes mit hypertensiven Krisen (20).
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 4. Juni 2009 abgewiesen. Ausgehend von einer Funktionseinschränkung der Wirbelsäule im mittelschweren Ausmaß in allen Abschnitten und schwerem Ausmaß im lumbodorsalen Übergang mit einem Einzel-GdB von 50, einer Funktionsbehinderung durch die Schuppenflechte mit einem Einzel-GdB von 20 und dem Bluthochdruck mit einem Einzel-GdB von 10 ergebe sich der vom Beklagten auch zuerkannte Gesamt-GdB von 60. Der Bewertung der Funktionseinschränkung der Wirbelsäule durch den Sachverständigen Dr. W mit einem Einzel-GdB von 60 werde nicht gefolgt. Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten seien lediglich mit einem Einzel-GdB von 30 bis 40 zu bewerten. Für das Vorliegen besonderer schwerer Auswirkungen, die die Vergabe eines Einzel-GdB von 50 bis 70 rechtfertigen würden, sei auch unter Berücksichtigung der Feststellungen des Sachverständigen nichts ersichtlich. Bluthochdruck liege lediglich in leichter Form vor, so dass ein Einzel-GdB von mehr als 10 insoweit nicht feststellbar sei. Die Ende Februar 2008 erfolgte stationäre Behandlung habe zu einer medikamentösen Einstellung und zu stabilen Blutdruckwerten geführt. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens “G„ seien nicht gegeben.
Mit der Berufung zum Az. L 13 SB 282/09 hat der Kläger sein Begehren zunächst weiter verfolgt.
Der Senat hat ein weiteres Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. L vom 1. Februar 2010 nebst ergänzender Stellungnahme vom 6. September 2010 eing...