Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Verlängerung der Anspruchsdauer während der COVID-19-Pandemie in der Zeit vom Mai bis Dezember 2020. Verfassungsmäßigkeit der zeitlichen Beschränkung der Sonderregelung
Orientierungssatz
Eine Verlängerung der Anspruchsdauer gemäß § 421d Abs 1 SGB 3 um drei Monate ist nicht gerechtfertigt, wenn ein für zwölf Monate nach § 147 Abs 2 SGB 3 bewilligter Arbeitslosengeldanspruch erst am 4.3.2021 endete. Die zeitliche Beschränkung des § 421d Abs 1 SGB 3 verletzt auch unter Berücksichtigung des Fortbestehens der Pandemielage Art 3 Abs 1 GG nicht.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Potsdam vom 15. April 2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 5. März 2021 bis 4. Juni 2021.
Die Beklagte hatte der 1981 geborenen Klägerin, die bis 5. März 2020 beschäftigt war, mit Bescheid vom 8. April 2020 Alg für die Zeit vom 6. März 2020 bis 4. März 2021 (Anspruchsdauer 360 Tage) iH eines Leistungsbetrags von tgl 65,83 € bewilligt. Den im Juni 2020 gestellten Antrag auf eine Verlängerung der Alg-Bezugsdauer um drei Monate unter Hinweis auf das „Sozialschutz-Paket II“ wertete die Beklagte als Widerspruch und wies diesen unter Hinweis auf § 421d Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) zurück (Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 2020). Das Sozialgericht (SG) Potsdam hat die auf Gewährung von Alg bis zum 4. Juni 2021 gerichtete Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 15. April 2021).
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Angesichts der fortdauernden Pandemiesituation müsse auch ihr im März 2021 erschöpfter Anspruch verlängert werden
Sie beantragt nach ihrem Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Potsdam vom 15. April 2021 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 8. April 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 2020 zu verurteilen, ihr über den 4. März 2021 hinaus bis 6. Juni 2021 Arbeitslosengeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl §§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Ihr steht gegenüber der Beklagten über den 4. März 2021 hinaus ein Alg-Anspruch bis 6. Juni 2021 nicht zu. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 8. April 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 2020, der hier nur im Hinblick auf die verlautbarte Anspruchsdauer (360 Tage) streitgegenständlich ist, begegnet insoweit keinen rechtlichen Bedenken. Dass die Klägerin den von der Beklagten als Widerspruch gewerteten „Weiterbewilligungsantrag“ erst im Juni 2020 und damit nach Ablauf der Widerspruchsfrist von einem Monat (§ 84 SGG) eingereicht hatte, ist unschädlich. Denn auch über einen ggf verfristeten Widerspruch kann die Behörde in der Sache entscheiden (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl § 84 Rn 7, 7a mwN).
Die Beklagte hat die Alg-Anspruchsdauer auf der Grundlage von § 147 Abs. 2 SGB III zutreffend mit zwölf Monaten (= 360 Tagen; vgl § 339 Satz 1 SGB III) festgesetzt. Ein darüber hinaus gehender Anspruch steht der Klägerin nicht zu. Eine Rechtsgrundlage hierfür ist nicht ersichtlich. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der von der Klägerin in Bezug genommenen Vorschrift des § 421d Abs. 1 SGB III in der seit 10. Dezember 2020 geltenden Fassung des Gesetzes vom 3. Dezember 2020 (BGBl I 2691; bis dahin gleichlautend die am 29. Mai 2020 in Kraft getretene Regelung des § 421d SGB III (Gesetz vom 20. Mai 2020 - BGBl I 1055)) liegen nicht vor. Danach verlängert sich für Personen, deren Anspruch auf Alg sich in der Zeit vom 1. Mai 2020 bis zum 31. Dezember 2020 auf einen Tag gemindert hat, die Anspruchsdauer einmalig um drei Monate.
Da der Alg-Anspruch der Klägerin erst am 4. März 2021 erschöpft war, sind die genannten Voraussetzungen - was auch die Klägerin einräumt - nicht erfüllt. Sie macht vielmehr eine Gleichbehandlung aus verfassungsrechtlichen Gründen geltend, weil die Pandemielage fortbestehe. Art. 3 Grundgesetz (GG) verbietet zwar auch einen gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird (BVerfGE 126, 29, 43 mwN). Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie d...