Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgung mit Cannabis. ADHS

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Übernahme der Kosten für cannabishaltige Arzneimittel.

Der am 1983 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Seit dem zehnten Lebensjahr wird bei ihm eine Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) diagnostiziert. Zu seinen Symptomen zählen unter anderem Hyperaktivität, Schlafstörungen, Unruhe, Nervosität und Aufmerksamkeitsprobleme (ADHS vom kombinierten Typ).

Der Kläger war zunächst von April 1995 bis Mai 2002 beim Kinder- und Jugendtherapeuten W-D S in Behandlung. Die Behandlung erfolgte durch die Verordnung des Medikaments Ritalin (Wirkstoff: Methylphenidat), dessen regelmäßige Einnahme eine Besserung der Symptomatik des Klägers bewirkte. Es traten jedoch auch Nebenwirkungen in Form von Appetitlosigkeit auf.

Nach eigenen Angaben konsumierte der Kläger im Alter von 14 Jahren erstmals Cannabis, anhaltend bis heute, wobei er es gegenwärtig täglich in Form von cannabishaltigen Arzneimitteln einnimmt. Eine anderweitige regelmäßige medikamentöse Behandlung erfolgte zwischen 2002 und 2018 nicht mehr. Eine im Januar 2018 begonnene Behandlung mit dem Medikament Strattera (Wirkstoff Atomoxetin) wurde noch im selben Monat aufgrund von Nebenwirkungen abgebrochen.

Der Kläger beantragte mit bei der Beklagten am 3. Mai 2018 eingegangenem, formlosem Schreiben die Kostenübernahme für eine Therapie mit cannabishaltigen Arzneimitteln, ohne ein konkretes Präparat oder eine konkrete Dosierung zu benennen. Er begründete seinen Antrag im Wesentlichen damit, er habe im mittlerweile 18 Jahre andauernden Selbstversuch festgestellt, dass ihm der Konsum von Cannabis besser helfe als jedes Medikament. Der Konsum von Cannabis führe zu einer erheblichen Linderung seiner Symptome und zu einer enormen Steigerung seiner Lebensqualität. Seine als schwerwiegend einzustufende Erkrankung könne außerdem nicht mit Standardtherapien behandelt werden. Denn die Einnahme der Medikamente Ritalin und Concerta habe bei ihm zu erheblichen Nebenwirkungen geführt. Neben der unstreitig gegebenen Appetitlosigkeit habe die Behandlung auch zu Nebenwirkungen in Form von Schlafstörungen und Müdigkeit geführt. Er sei regelrecht ruhig gestellt worden und habe negative Auswirkungen auf seine Persönlichkeit bemerkt. Er fügte dem Antrag eine Schilderung seines Krankheitsverlaufs aus seiner Sicht, eine Bescheinigung des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. AK vom 19. Februar 2018 sowie einen ärztlichen Bericht seines früheren Kinderarztes W-D S vom 26. Februar 2018 bei. Bezüglich des Inhalts jener Dokumente wird auf Bl. 2 bis 9 ff des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen. Eine ärztliche Verordnung von cannabishaltigen Arzneimitteln legte der Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht vor.

Die Beklagte beauftragte daraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) mit der Prüfung der vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen sowie der Voraussetzungen für eine Kostenübernahme. Der MDK befürwortete die Kostenübernahme nicht; es handele sich um keine schwerwiegende Erkrankung und es stehe eine allgemein anerkannte und dem medizinischen Standard entsprechende medikamentöse Therapie zur Verfügung, der der Kläger sich seit Jahren entziehe; es bestehe eine Cannabis-Abhängigkeit mit Krankheitswert.

Mit Bescheid vom 18. Mai 2018 lehnte die Beklagte daraufhin die Kostenübernahme ab. Die Voraussetzungen für die Kostenübernahme lägen nicht vor. Die Kosten für cannabishaltige Arzneimittel seien nur unter sehr engen Voraussetzungen übernahmefähig. Es müsse sich einerseits um eine schwerwiegende Erkrankung handeln, für die keine alternative Behandlungsweise neben der Behandlung mit Cannabisarzneimitteln bestehe. Weiterhin müsse durch die Behandlung die Aussicht auf eine spürbar positive Beeinflussung des Krankheitsverlaufs oder schwerwiegender Symptome bestehen. Überdies müsse der Patient an einer anonymisierten Begleitstudie teilnehmen. Nach dem Ergebnis der Prüfung des MDK lägen die Voraussetzungen beim Kläger nicht vor. Insbesondere bestehe für seine Erkrankung eine alternative Behandlungsmethode in Form einer speziellen medikamentösen Therapie. Der Kläger werde seit Jahren nicht mehr medikamentös therapiert, obwohl diese Therapie in der Vergangenheit zu einer deutlichen Befundverbesserung geführt habe.

Zur Begründung seines hiergegen eingelegten Widerspruchs führte der Kläger an, die Ablehnung seines Antrags sei rechtsfehlerhaft. Die Voraussetzungen des § 31 Abs. 6 SGB V lägen vor. Ferner sei der Anspruch auf Kostenerstattung cannabishaltiger Arzneimittel nur in begründeten Ausnahmen abzulehnen. Es bestehe ein intendiertes Ermessen hinsichtlich der Stattgabe. Das Gutachten des MDK sei jedenfalls zur Begründung der Leistungsablehnung ungeeignet. Der MDK könne ohne die Prüfung des Heilmittelverzeichnisses, d.h. ohne ...

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