Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuordnung Kindererziehungszeiten zum Vater. Zuordnung Berücksichtigungszeiten zum Vater. überwiegende Erziehung
Orientierungssatz
1. Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten können grundsätzlich nur einem Elternteil zugeordnet werden. Für einen Elternteil wird eine Kindererziehung angerechnet, wenn er sein Kind im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bzw. einem gleichgestellten Gebiet erzogen und sich dort mit ihm gewöhnlich aufgehalten hat, die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist und er nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist.
2. Ist eine überwiegende Erziehung durch den Vater im erforderlichen Beweisgrad nicht feststellbar, so ist die Zeit der Mutter zuzuordnen.
3. Der Begriff der Erziehung folgt familienrechtlichen Bestimmungen und umfasst die Sorge für die körperliche, seelische und geistige Entwicklung eines Kindes. Bei einer gemeinsamen Erziehung ohne gemeinsame Erklärung i. S. von § 56 Abs. 2 S. 3 SGB 6 ist die Zuordnung der Kindererziehungszeit davon abhängig, wer das Kind nach objektiven Kriterien überwiegend erzogen hat.
4. Haben beide Eltern in etwa gleichem Umfang durch Erwerbstätigkeit den Lebensunterhalt bestritten, so ist davon auszugehen, dass sie sich auch zu gleichen Teilen der Kindererziehung gewidmet haben. In diesem Fall ist die Kindererziehungszeit der Mutter zuzuordnen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 21. September 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1.) und 2.) für das Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Tatbestände einer Kindererziehungszeit sowie einer Berücksichtigungszeit in einem Kontenklärungsverfahren vorzumerken.
Der 1952 geborenen Kläger und die Beigeladene zu 1.) waren vom 14. September 1974 bis zum 14. März 1978 miteinander verheiratet. Aus der Ehe ging die 1974 geborene Tochter J hervor.
Zum Zeitpunkt der Geburt der Tochter war der Kläger als Student der Rechtswissenschaften an der H.-Universität zu Berlin eingeschrieben und setzte sein Studium ohne Unterbrechung fort. Die Beigeladene zu 1.) war ausweislich der Eintragungen im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung in der Zeit vom 18. September 1974 bis zum 31. August 1975 als Krippenhelferin beim Rat des Stadtbezirks Berlin-Treptow beschäftigt und nahm zum 01. September 1975 ein Studium an der Ingenieurschule für Bauwesen in Berlin auf.
Im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens im Jahr 1999 machte der Kläger ausdrücklich keine Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung geltend. Auf eine Anfrage der LVA Berlin vom 19. August 2002 wegen der Geltendmachung von Kindererziehungszeiten durch die Beigeladene zu 1.) teilte die Beklagte mit, dass für den Kläger keine Kindererziehungszeiten im Kontenklärungsverfahren festgestellt worden seien, weil entsprechende Zeiten von ihm nicht geltend gemacht wurden. Daraufhin wurde von der LVA Berlin die Zeit vom 01. Januar 1975 bis zum 31. Dezember 1975 als Kindererziehungszeit und die Zeit vom 31. Dezember 1974 bis zum 31. März 1978 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung der Beigeladenen zu 1.) zugeordnet (Bescheid vom 26. November 2002).
Im Dezember 2003 beantragte der Kläger die Berücksichtigung der Zeiten der Kindererziehung der Tochter J und gab an, dass diese in der Zeit von 1975 bis 1978 von beiden Elternteilen gemeinsam erzogen worden sei. Dem Antrag beigefügt war das Scheidungsurteil des Stadtbezirksgerichtes Berlin-Treptow vom 14. März 1978, in dem dem Kläger u. a. das Erziehungsrecht für die Tochter zugesprochen wurde.
Mit Bescheid vom 23. März 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2004 stellte die Beklagte die Zeit vom 01. April 1978 bis zum 31. Dezember 1984 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung der Tochter J fest und lehnte eine Berücksichtigung der davor liegenden Zeiten ab, weil diese bereits bei der Beigeladenen zu 1.) anerkannt worden seien.
Mit der dagegen am 07. Juli 2004 zum Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und im Wesentlichen geltend gemacht, er habe die Tochter auch während der Zeit nach der Geburt überwiegend allein erzogen. Die Tochter sei häufig krank gewesen und während dieser Zeit ausschließlich durch ihn betreut worden. Dies sei ihm nur möglich gewesen, weil seitens der H.-Universität ein umfangreiches Fernstudienmaterial vorgehalten worden sei, und das Studium im häuslichen Bereich habe durchgeführt werden können. Die Beigeladene zu 1.) habe hingegen an den Vorlesungen und Seminaren teilgenommen. Er habe die Tochter ansonsten zur Krippe gebracht und abgeholt, Mahlzeiten zubereitet und die Tochter gewickelt. Im letzten Jahr der Ehe habe er die Tochter ausschließlich betreut. Schließlich ergebe sich aus dem Scheidungsurte...