Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. unterbliebene Einreichung der Prozessvollmacht. Sozialrechtsverfahren. Einzelfall iS des § 44 Abs 1 S 1 SGB 10

 

Orientierungssatz

1. Ist keine Prozessvollmacht zu den Gerichtsakten gereicht, bedarf es, damit das Gericht die Klage ohne Prüfung in der Sache als unzulässig abweisen kann, regelmäßig einer vorherigen schriftlichen richterlichen Aufforderung an den Bevollmächtigten, verbunden mit dem Hinweis, dass die Klage andernfalls als unzulässig abgewiesen werden kann.

2. Wird nicht ein einzelner oder werden nicht mehrere konkrete, ihrer Zahl nach bestimmbare Verfügungssätze von Verwaltungsakten, sondern das Verwaltungshandeln, ohne jede Differenzierung - insgesamt zur Überprüfung durch die Verwaltung gestellt, dann wird keine Prüfung im Einzelfall iS des § 44 Abs 1 S 1 SGB 10 begehrt. Trotz des Vorliegens eines Antrags löst ein solches Begehren bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift keine inhaltliche Prüfpflicht des Sozialleistungsträgers aus (vgl BSG vom 13.2.2014 - B 4 AS 22/13 R = BSGE 115, 126 = SozR 4-1300 § 44 Nr 28).

 

Normenkette

SGG § 73 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Sätze 1, 2 Nr. 3, § 159 Abs. 1 Nr. 1; SGB X § 44 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 01.08.2017; Aktenzeichen B 13 R 323/16 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 23. April 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Wege eines Überprüfungsverfahrens um die Rechtsmäßigkeit sämtlicher den Kläger betreffenden Rentenbescheide. Vorrangig ist zunächst streitig, ob der Kläger rechtswirksam Klage erhoben hat.

Der 1932 geborene Kläger bezieht seit dem 1. November 1993 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit, die mit Rentenbescheid vom 16. November 2005 neu festgestellt worden ist. Der Zahlbetrag betrug 690,08 Euro.

Mit Schreiben vom 30. Dezember 2008, eingegangen bei der Beklagten am 2. Januar 2009, beantragte er “die Überprüfung meiner Rentenbescheide, soweit diese rechtswidrig sind oder den Anerkenntnissen bzw. dem Gerichtsbescheid vom 29. November 2007 (Az.: S 3 RJ 30/03, Sozialgericht Cottbus) nicht entsprechen. I. A. Dr. T S.„

Mit Bescheid vom 16. Januar 2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rücknahme aller bisher ergangenen Rentenbescheide ab. Zur Begründung führte sie aus, dass der Träger der Rentenversicherung nach § 44 des Sozialgesetzbuches - Zehntes Buch - (SGB X) einen Verwaltungsakt zurückzunehmen hat, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass beim Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist. Dieser Tatbestand sei im Falle des Klägers nicht gegeben; eine Rücknahme nach § 44 SGB X wäre mithin nicht möglich. Die Prüfung habe ergeben, dass der beanstandete Bescheid zu Recht bestehe. Die Beklagte führte insoweit aus:

“Wir verweisen insoweit auf den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 18.12.2007 (sic), aus dem hervorgeht, dass die bisher ergangenen Bescheide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides rechtmäßig sind und Sie nicht in ihren Rechten verletzt werden. Eine Anerkennung weiterer Zeiten ist mithin nicht möglich, da diese weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden sind.„

Den hiergegen mit Schreiben vom 17. Februar 2009 eingelegten Widerspruch, den der Kläger nicht begründete aber die Begründung nachreichen wollte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. November 2009 mit der Begründung zurück, dass der Kläger mit dem angefochtenen Bescheid über die Rechtslage und die Gründe für die Zurückweisung des Antrages ausführlich informiert worden sei. Es seien keine Gründe vorgebracht worden, die eine abweichende Beurteilung zuließen.

Mit Fax ohne Absenderangabe von Montag, dem 4. Januar 2010, 19.52 Uhr, wurde vor dem Sozialgericht Cottbus unter dem Namen des Klägers Klage gegen den Überprüfungsbescheid vom 16. Januar 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. November 2009 erhoben. Die Klageschrift war vom Kläger nicht unterschrieben, enthielt aber den maschinengeschriebenen Zusatz “gez. G W„ mit der Unterzeile “Dieses maschinell erstellte Schreiben ist ohne Unterschrift wirksam„. Daneben fand sich das Kürzel “f. d. R.„ und die Unterschrift des Dr. T S.

Ab dem 1. Oktober 2010 hat sich der Kläger durch Frau Rechtsanwältin D anwaltlich vertreten lassen und am 21. Juni 2011 das Überprüfungsbegehren erstmals präzisiert: Der Kläger hat die Anerkennung von Berufsausbildungszeiten vom 2. September 1947 bis 17. Juli 1950 sowie die Anerkennung von Arbeitsausfalltagen im Jahr 1978 begehrt, da diese nach seinem Vorbringen aufgrund einer fehlerhaften EDV-Verschlüsselung zu einer fehlerhaft berechneten Rente führten. Dem Kläger stehe ab dem 1. November 1993 ein höherer Rentenanspruch zu. Die im Rentenbescheid vom 16. November 2005 zugrunde gelegten 33,1598 Entgeltpunkte w...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge