Entscheidungsstichwort (Thema)

Bildung des Gesamt-GdB im Schwerbehindertenrecht

 

Orientierungssatz

1. Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen des Schwerbehindertenrechts vor, so ist nach § 69 Abs. 3 SGB 9 der Gesamtgrad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen.

2. Aus einem Teil-GbB von 40 für ein Wirbelsäulenleiden und einem solchen von 20 für einen Teilverlust der linken Brust ist ein Gesamt-GdB von 50 zu bilden.

 

Normenkette

SGB IX § 69 Abs. 1, 3, § 2 Abs. 1; SGB X § 48 Abs. 1 S. 1; BVG § 30

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 21. April 2015 geändert und der Bescheid des Beklagten vom 1. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2012 in der Fassung des Ausführungsbescheides vom 9. Juni 2015 insoweit aufgehoben, als der Beklagte den Grad der Behinderung auf weniger als 50 herabsetzte.

Der Beklagte hat der Klägerin deren notwendige außergerichtliche Kosten des gesamten gerichtlichen Verfahrens in vollem Umfang zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Absenkung des Grades der Behinderung (GdB).

Mit Bescheid vom 24. April 2006 hatte der Beklagte bei der Klägerin einen GdB von 60 festgestellt, wobei er folgende Behinderungen zugrunde gelegt hatte:

1.

Erkrankung der Brust in Heilungsbewährung, Teilverlust der Brust links (Einzel-GdB von 50),

2.

Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderung der Wirbelsäule, verheilter Wirbelbruch (Einzel-GdB von 30),

3.

Funktionsbehinderung des Ellenbogengelenks links (Einzel-GdB von 10).

Während des im Januar 2011 eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens stellte die Klägerin unter dem 28. Februar 2011 einen formularmäßig vorgesehenen Verschlimmerungsantrag. Im Hinblick darauf, dass nach Ablauf der Heilungsbewährung Metastasen oder ein Rezidiv nicht aufgetreten waren, stellte der Beklagte bei der Klägerin durch Bescheid vom 1. Juli 2011 mit Wirkung ab Bekanntgabe des Bescheides einen GdB von 30 fest. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2012 zurück. Hierbei berücksichtigte er folgende Behinderungen:

1.

Teilverlust der linken Brust (Einzel-GdB von 10),

2.

degenerative Wirbelsäulenveränderung, Funktionsstörung der Wirbelsäule (Einzel-GdB von 30),

3.

Funktionsstörung des rechten Schultergelenks, Funktionsstörung des linken Ellenbogengelenks (Einzel-GdB von 10).

Mit ihrer bei dem Sozialgericht Cottbus erhobenen Klage hat die Klägerin die Aufhebung des Neufeststellungsbescheides und die Zuerkennung eines GdB von mindestens 50 begehrt. Das Sozialgericht hat das Gutachten des Chirurgen Dr. B vom 19. November 2014 eingeholt, der den GdB bei der Klägerin mit 40 eingeschätzt hat. Der Sachverständige hat hierzu folgende Behinderungen ermittelt:

1.

Teilverlust der linken Brust (Einzel-GdB von 10),

2.

Funktionsstörung der Wirbelsäule (Einzel-GdB von 30),

3.

hochgradiger Knorpelschaden des rechten Kniegelenks mit anhaltenden Reizerscheinungen (Einzel-GdB 30).

Die Klägerin ist dem Gutachten entgegengetreten. Hierzu hat sie u.a. den Befundbericht der sie behandelnden Gynäkologin Dr. H vom 6. November 2014 vorgelegt.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 16. Februar 2015 erklärt, bei der Klägerin einen GdB von 40 ab 18. November 2014 festzustellen. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen und den Rechtsstreit im Übrigen fortgeführt.

Mit Urteil vom 21. April 2015 hat das Sozialgericht Cottbus die Klage abgewiesen. Es ist hierbei im Wesentlichen dem Sachverständigen gefolgt. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 9. Juni 2015 sein Teilanerkenntnis ausgeführt.

Mit ihrer gegen die sozialgerichtliche Entscheidung erhobenen Berufung hat die Klägerin ihr Begehren zunächst weiterverfolgt, dieses aber im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter auf die Zuerkennung eines GdB von 50 beschränkt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 21. April 2015 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 1. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2012 zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, bei ihr weiterhin einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin, soweit sie aufrechterhalten wird, zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass die angefochtene Entscheidung zutreffend ist.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten hiermit einverstanden sind (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die zulässige Berufung der Klägerin ist, soweit sie sie aufrechterhält, begrü...

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