Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. Tod des Hilfeempfängers vor Entscheidung über einen Widerspruch. kein Anspruchsübergang nach dem Tode des Berechtigten auf einen Erben oder ambulanten Pflegedienst. Begriff der Einrichtung. Auslegung
Orientierungssatz
1. Ein Anspruch eines Hilfeempfängers auf Bescheidung seines Widerspruchs geht mit seinem Tod unter und nicht kraft Gesetz auf den Erben über, weil ein Forderungsübergang iS des § 19 Abs 6 SGB 12 nicht stattfindet.
2. Zu den nach § 19 Abs 6 SGB 12 auf den Leistungserbringer übergehenden Ansprüche gehören nicht die angemessenen Kosten für eine besondere Pflegekraft gem § 65 Abs 1 S 2 SGB 12 und insoweit für einen ambulanten Pflegedienst.
3. Unter den Begriff der Einrichtung iS des § 19 Abs 6 SGB 12 fallen nur stationäre oder teilstationäre Einrichtungen (vgl OVG Bremen vom 28.11.2008 - S3 A 233/08 = ZFSH/SGB 2009, 51, aA SG Hamburg vom 14.3.2008 - S 58 SO 514/06). Ambulante Pflegedienste, wie sie in §§ 13 Abs 1, 75 Abs 1 S 2 SGB 12 definiert sind, zu denen ua Pflegestationen, Sozialstationen und Pflegedienste gehören, sind in § 19 Abs 6 SGB 12 nicht genannt, und der Begriff der Einrichtung ist nicht entsprechend auszulegen.
4. Gegen eine ausweitende Auslegung des § 19 Abs 6 SGB 12 iS einer Einbeziehung der ambulanten Dienste unter den Einrichtungsbegriff spricht der Ausnahmecharakter der Vorschrift.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. September 2008 wird in der Sache zurückgewiesen.
Die erstinstanzliche Kostenentscheidung und die Streitwertfestsetzung werden aufgehoben.
Außergerichtliche Kosten des gesamten Rechtsstreits haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf Bescheidung von Widersprüchen hat, die die vormals vom ambulanten Pflegedienst des Klägers gepflegte, inzwischen verstorbene Hilfeempfängerin eingelegt hat.
Die 2007 verstorbene Hilfeempfängerin war schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100 (Merkzeichen B, aG und T). Ihr war die Pflegestufe III zuerkannt worden. Mit Bescheid vom 10. April 2006 gewährte der Beklagte der Hilfeempfängerin Hilfe zur Pflege in Form der häuslichen Pflege für die Zeit vom 3. Februar 2006 bis zum 30. April 2007 im Umfang von 24 Stunden täglich, die der vom Kläger betriebene ambulante Pflegedienstes ausführte. Dabei setzte der Beklagte den Eigenanteil der Hilfeempfängerin an den Pflegekosten mit 237,67 Euro monatlich fest. Nach einer erneuten Prüfung durch den ärztlichen Dienst des Beklagten hob dieser mit Bescheid vom 4. Oktober 2006 den Bescheid vom 10. April 2006 auf und bewilligte unter Anordnung der sofortigen Vollziehung für die Zeit ab 15. Oktober 2006 häusliche Pflege nur noch in einem Umfang von 20 Stunden täglich. Der festgesetzte Eigenanteil blieb unverändert. Hiergegen legte die Hilfeempfängerin mit Schreiben vom 29. Oktober 2006 - Eingang am 3. November 2006 - Widerspruch ein und trug vor, dass eine 20stündige Pflege nicht ausreichend sei. Mit Beschluss vom 21. November 2006 ordnete das Sozialgericht Berlin die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs an (S 2 SO 2606/06 ER). Daraufhin gewährte der Beklagte der Hilfeempfängerin weiter die Kosten für eine 24-stündige Pflege unter Abzug des errechneten Eigenanteils. Bereits mit Schreiben vom 26. September 2006 hatte die Hilfeempfängerin die Übernahme der Kosten für den Eigenanteil der Krankenkasse für eine Rehabilitationsmaßnahme, den Eigenanteil der Pflegekasse für eine Kurzzeitpflege und für eine Verhinderungspflege beantragt. Mit Schreiben vom 30. November 2006 ergänzte die Hilfeempfängerin ihren Widerspruch dahingehend, dass der von ihr zu entrichtende Eigenanteil nicht richtig berechnet worden sei, weil unter anderem die mit dem Schreiben vom 26. September 2006 geltend gemachten Belastungen nicht zutreffend bei der Feststellung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse berücksichtigt worden seien.
Mit Bescheid vom 23. April 2007 bewilligte der Beklagte der Hilfeempfängerin nach Einholung einer amtsärztlichen Stellungnahme wiederum häusliche Pflege im Umfang von 24 Stunden täglich für den Zeitraum vom 1. Mai 2007 bis zum 31. Januar 2008, wobei ihr Eigenanteil im bisheriger Höhe abgezogen wurde. Gleichzeitig teilte der Beklagte der Hilfeempfängerin mit, dass er aufgrund der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 4. Oktober 2006 bisher weiter Leistungen im Umfang von 24 Stunden übernommen habe und deshalb davon ausgehe, dass sich der Widerspruch insoweit erledigt habe. Soweit sich die Hilfeempfängerin gegen die Berechnung des Eigenanteils wende, sei kein erneuter Widerspruch erforderlich, weil diese im Rahmen der weiteren Widerspruchsbearbeitung überprüft werde. Diesbezüglich forderte der Beklagte von der Hilfeempfängerin noch verschiedene Unterlagen, um über den Widers...