Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftlichkeitsprüfung. Arzneimittelregress. Ausschlussfrist. fristhemmende Wirkung des Prüfantrages der Krankenasse. Kenntnisnahme des Vertragsarztes nach Ausschlussfrist. unverzüglich
Leitsatz (amtlich)
Der Prüfung der Krankenkassen hat eine die Ausschlussfrist hemmende Wirkung, wenn er innerhalb der Anschlussfrist von vier Jahre gestellt wurde, und der Vertragsarzt von ihm Kenntnis erlangt. Die Kenntnisnahme des Vertragsarztes kann hierbei auch nach Ablauf der Ausschlussfrist erfolgen, solange dies unverzüglich geschieht.
Tenor
Die Berufung der Beigeladenen zu 1) gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 13. Februar 2019 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene zu 1) trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2), die diese selbst trägt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen einen Arzneimittelregress wegen einer Verordnung des Arzneimittels Actos im Quartal IV/13.
Der Kläger ist als Facharzt für Innere Medizin/Hausarzt zur vertragsärztlichen Versorgung in G zugelassen.
Er verordnete am 16. Dezember 2013 dem bei der Beigeladenen zu 2) versicherten und an einem Diabetes mellitus Typ 2 leidenden W O. das Medikament Actos. Die Kosten hierfür beliefen sich nach Abzug gesetzlicher Rabatte auf 184,90 Euro.
Am 19. Dezember 2017 beantragte die Beigeladene zu 2) bei der Beklagten für diese Verordnung die Festsetzung eines Regresses gegenüber dem Kläger in Höhe von 184,90 Euro. Das Medikament sei nach § 16 Abs. 3 der Richtlinie des GBA über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie/AM-RL), Anlage III Nr. 49 nicht verordnungsfähig.
Mit Schreiben vom 4. Januar 2018 hörte die Beklagte den Kläger hierzu an. Der Kläger wies die Regressforderung als verjährt zurück und verwies darauf, dass ein Prüfantrag der Krankenkassen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Ausschlussfrist nur dann hemme, wenn dem Vertragsarzt der entsprechende Antrag noch vor Ablauf der Ausschlussfrist zur Kenntnis gegeben werde. Er habe aber erst mit Eingang des Anhörungsschreibens am 8. Januar 2018 von der Regressforderung Kenntnis erlangt.
Mit Bescheid vom 9. Februar 2018 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger für die Verordnung des Arzneimittels Actos am 16. Dezember 2013 einen Regress in Höhe von 184,90 Euro fest. Der Antrag sei innerhalb der Ausschlussfrist von vier Jahren gestellt worden. Diese beginne für Verordnungsregresse unmittelbar nach Ablauf des Quartals, dem die Verordnung kostenmäßig zugeordnet sei, und ende hier am 31. Dezember 2017. Die Verjährung sei durch die rechtzeitige Stellung des Prüfantrags gehemmt worden. Der Regressforderung liege zugrunde, dass das verschreibungspflichtige Arzneimittel Actos (Wirkstoff Pioglitazon aus der Gruppe der Glitazone) als Zweit- oder Drittlinientherapie des Typ 2 Diabetes mellitus eingesetzt werde, Glitazone zur Behandlung des Typ 2 Diabetes mellitus aber von der Verordnung zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ausgeschlossen seien. Der Krankenkasse sei daher ein Schaden in Höhe von 184,90 Euro entstanden.
Hiergegen hat der Kläger am 6. März 2018 Klage erhoben. Er hat sich weiterhin auf die Verjährung der Regressforderung berufen. Dem hat die Beklagte im Wesentlichen entgegengehalten, dass das Bundessozialgericht zwar die Kenntnis des Vertragsarztes vorausgesetzt habe, aber nicht die Kenntnisnahme noch innerhalb der Ausschlussfrist. Dies könne auch nicht gemeint sein, da die Krankenkassen den Antrag verjährungsunterbrechend auch erst am letzten Tag der Ausschlussfrist stellen könnten. Zudem habe die Krankenkasse keinen Einfluss darauf, wann die Prüfgremien den Vertragsarzt in Kenntnis setzten. Die Krankenkasse habe keine Möglichkeit, den Prüfantrag dem Arzt unmittelbar zuzuleiten.
Das Sozialgericht Potsdam hat die Klage mit Urteil vom 13. Februar 2019 abgewiesen und die Berufung zugelassen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Festsetzung des Arzneimittelregresses sei rechtmäßig erfolgt. Die Nichteinhaltung der in § 20 Abs. 4 der in Brandenburg geltenden Prüfvereinbarung über das Verfahren zur Wirtschaftlichkeitsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung nach § 106 SGB V (Prüfvereinbarung, im Folgenden PrüfV) geregelten Prüfantragsfrist von zwölf Monaten nach Abschluss des Prüfquartals sei unerheblich, da es sich nur um eine Ordnungsvorschrift handele, deren Verletzung nicht zum Untergang des Prüfanspruchs führe. Dem Interesse des Vertragsarztes, nicht damit rechnen zu müssen, dass noch nach Jahr und Tag ein Prüf- und Regressverfahren gegen ihn durchgeführt werde, diene die Vierjahresfrist, beginnend nach dem Ende des Quartals, in das der Verordnungszeitraum falle. Anders als bei der Festsetzung eines sog. sonstigen Schadens, wo eine Verjährung eintreten könne, unterliege die Festsetzung von Regressen wegen der Verordnung von Arzneimitteln, die der Arzt nicht hätte verordnen dürfen, eine...