Orientierungssatz

Parallelentscheidung zu dem Urteil des LSG Celle-Bremen vom 20.3.2024 - L 3 KA 51/23 , das vollständig dokumentiert ist.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 24. Oktober 2023 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 3.441,83 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Im Streit steht die Festsetzung einer Nachforderung wegen Verordnung unverarbeiteter Cannabisblüten im Quartal III/2020.

In diesem Zeitraum war der Kläger als Facharzt für Allgemeinmedizin in L. niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Niedersachsen zugelassen. Er verordnete unter dem 13. Juli 2020, 23. Juli 2020, 13. August 2020, 17. August 2020, 24. August 2020, 28. August 2020, 7. September 2020, 11. September 2020, 17. September 2020, 21. September 2020 und 28. September 2020 der bei der zu 2. beigeladenen Krankenkasse (KK) versicherten JN (im Folgenden: die Versicherte) jeweils unverarbeitete Cannabisblüten (Cannabis Flos Bedrocan ) aufgrund der Diagnose Cluster-Kopfschmerz (ICD-10: G 44.0 ). Die Versicherte war im Jahr 2019 von einem anderen Vertragsarzt behandelt worden, der Cannabisblüten verordnet hatte. Eine dieser Verordnungen legte die Versicherte dem Kläger vor, nachdem sie in dessen hausärztliche Behandlung gewechselt war. Daraufhin verordnete dieser Cannabisblüten weiter. Eine Genehmigung der KK lag weder im Jahr 2019 noch im Zeitpunkt der vorliegend streitigen Verordnungen des Klägers vor. Die Versicherte hatte sich in den Jahren 2019 und 2020 anlässlich einer Behandlung mit Cannabisblüten nicht an die KK gewandt.

Der Kläger teilte der KK unter dem 9. April 2021 mit, dass bei der Versicherten ausschließlich die Behandlung mit Cannabisblüten zu einer Beschwerdefreiheit geführt habe. Eine Medikation mit Metamizol , ASS, NSAR , Morphin subcutan sowie eine Sauerstofftherapie seien ohne Erfolg geblieben, eine Medikation mit Imigran habe zu schweren Nebenwirkungen geführt, die stationär behandelt worden seien. Die KK lehnte den Antrag auf Kostenübernahme mit Bescheid vom 16. April 2021 gegenüber der Versicherten ab und informierte den Kläger taggleich. Sie verwies auf eine Therapie mit einem Fertigarzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon. Nach telefonischer Rücksprache und schriftlichem Antrag vom 21. April 2021 genehmigte die KK eine Behandlung mit Dronabinol-Tropfen bis zum 31. März 2022 mit Bescheid vom 21. April 2021 gegenüber der Versicherten. Einen weiteren Antrag auf Übernahme der Kosten für Cannabinoide lehnte die KK unter dem 5. Mai 2022 ab. Darin wies sie auf alternative Therapien wie zB Entspannungstechniken, Konsultation der Kopfschmerzklinik in Kiel und Physiotherapie hin.

Unter dem 17. Mai 2022 - Eingang bei der Beklagten am 25. Mai 2022 - beantragte die KK bei der Beklagten die Prüfung der Feststellung eines sonstigen Schadens gemäß § 48 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) und der Prüfvereinbarung gemäß § 106 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) iHv 3.441,83 Euro wegen der im Quartal III/2020 ohne Genehmigung verordneten Cannabisblüten. Von den Verordnungen erhielt die KK durch die Arzneimittelabrechnung Kenntnis. Der Betrag setzt sich aus den Kosten für die Cannabisblüten und einer Gebühr für Betäubungsmittel (BTM) (4,26 Euro) abzüglich der Rabatte vom Apothekenabgabepreis zusammen (neun Verordnungen a 308,11 Euro zzgl 4,26 Euro; Verordnung vom 13. August 2020: 306,89 Euro zzgl 4,26 Euro; Verordnung vom 28. September 2020: 315,09 Euro zzgl 4,26 Euro).

Auf die Anhörung der Beklagten vom 7. Juni 2022 wiederholte der Kläger unter dem 22. August 2022 seine Angaben vom 9. April 2021 gegenüber der KK. Zudem wies er darauf hin, dass das durch die KK genehmigte Medikament Dronabinol-Tropfen 500mg zu keiner Schmerzerleichterung geführt und die Versicherte Cannabisblüten privat gekauft habe.

Mit Bescheid vom 14. März 2023 - Zugang beim Kläger am 15. März 2023 - setzte die Beklagte gegen den Kläger eine Nachforderung iHv 3.441,83 Euro fest wegen Verordnung von Cannabisblüten im Quartal III/2020 ohne die nach § 2 Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) iVm § 31 Abs 6 S 2 SGB V vorausgesetzte Genehmigung der KK vor Beginn der Leistung. Eine Begrenzung der Nachforderung gemäß § 106b Abs 2a SGB V wandte die Beklagte nicht an, weil die Verordnung vorliegend den Grundsätzen der Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) widerspreche.

Dagegen hat der Kläger mit Eingang am 15. März 2023 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben und die Aufhebung des Bescheids vom 14. März 2023 beantragt. Zur Begründung hat er sich auf den Bescheid der KK vom 21. April 2021 bezogen und die Auffassung vertreten, dass Arzneimittel auf Cannabisbasis grundsätzlich hätten verordnet werden dürfen. Die KK hat darauf hingewiese...

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