Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. MDK-Prüfung ohne Minderung des Abrechnungsbetrags. Zeitpunkt der Entstehung und Fälligkeit der Aufwandspauschale. Anspruch auf Verzugszinsen
Leitsatz (amtlich)
1. Unterbleibt nach einem Prüfverfahren eine Minderung des Abrechnungsbetrages, entsteht der Anspruch auf Aufwandspauschale erst mit Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Abrechnungsminderung.
2. Für einen Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale können nicht nur Prozesszinsen, sondern auch Verzugszinsen geltend gemacht werden (entgegen BSG vom 28.11.2013 - B 3 KR 4/13 R = SozR 4-2500 § 275 Nr 16 und vom 23.6.2015 - B 1 KR 24/14 R = NZS 2015, 745 ).
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. März 2021 wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. März 2021 geändert und die Beklagte zusätzlich verurteilt, an die Klägerin auf den Betrag von 300,00 Euro Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. November 2017 zu zahlen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 300,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale nebst Zinsen.
Die Klägerin ist Trägerin eines nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Klinikums, in dem eine Versicherte der Beklagten vom 11. Januar 2012 bis 15. Januar 2012 stationär behandelt wurde. Mit Rechnung vom 25. Januar 2012 forderte die Klägerin von der Beklagten für die Behandlung der Versicherten die Vergütung. Die Beklagte zahlte den abgerechneten Betrag im Jahr 2012 vollständig und leitete eine Prüfung zur Notwendigkeit der stationären Behandlung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Hierfür übersandte die Klägerin an den MDK am 20. Februar 2012 Unterlagen. Der MDK erstellte am 6. März 2012 eine sozialmedizinische Stellungnahme, in welcher er die Notwendigkeit des stationären Aufenthalts der Versicherten bestätigte. Von dieser Stellungnahme erhielt die Klägerin keine Kenntnis, das Ergebnis der Prüfung des MDK wurde ihr nicht mitgeteilt.
Am 5. Oktober 2017 stellte die Klägerin der Beklagten eine Rechnung für eine Aufwandspauschale i.H.v. 300,00 Euro im vorstehend benannten Behandlungsfall. Die Beklagte wies diese Rechnung im Rahmen des Datenträgeraustauschverfahrens mit dem Hinweis „MDK-Gutachten aus 2012, verfristet 12/2016“ zurück. Nachfolgend forderte die Klägerin die Beklagte auf, die Rechnung bis zum 29. November 2017 zu begleichen. Hierauf zahlte die Beklagte nicht.
Am 22. Januar 2018 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben mit dem Begehren, die Beklagte zur Zahlung von 300 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 30. November 2017 zu verurteilen. Sie hat vorgetragen, eine Verjährung der Forderung sei nicht eingetreten, da der Anspruch auf die Aufwandspauschale erst am 1. Januar 2017 entstanden sei. Erst zu diesem Zeitpunkt sei der mögliche Rückforderungsanspruch der Beklagten verjährt, sodass erstmals festgestanden habe, dass sich der Abrechnungsbetrag nicht mehr mindern würde. Tatbestandsmerkmal des § 275 Abs. 1c SGB V (in der im Streitzeitraum geltenden Fassung, im Folgenden SGB V a.F.) sei nicht die Meinung des MDK in einem Prüfverfahren, sondern die nicht erfolgte Minderung des Abrechnungsbetrages. Der Anspruch entstehe erst, wenn positiv feststehe, dass sich der Abrechnungsbetrag nicht mehr mindere. Ansonsten hätte es der MDK in der Hand, über das Entstehen der Aufwandspauschale zu bestimmen (Verweis auf Sozialgericht Berlin, Urteil vom 23. Januar 2020 - S 51 KR 917/18 ).
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat die Einrede der Verjährung erhoben. Die im Sozialrecht vier Jahre betragende Verjährungsfrist beginne im Fall der Aufwandspauschale mit dem Ablauf des Jahres, in welchem das für die Krankenkasse negative Gutachten des MDK vorliege, welches nicht zur Reduzierung des Abrechnungsbetrages führe. Aus dem Gutachten des MDK vom 6. März 2012 ergebe sich unstreitig, dass das Prüfverfahren nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt habe. Die Verjährung habe daher mit Ablauf das Jahres 2012 begonnen und habe mit Ablauf des Jahres 2016 geendet. Für die Verjährung sei allein die Entstehung des Anspruchs und nicht die tatsächliche Kenntnis der Klägerin entscheidend. Es sei daher unerheblich, dass die Stellungnahme des MDK der Klägerin nie übermittelt und ihr das Ergebnis auch nicht mitgeteilt worden sei.
Mit Urteil vom 10. März 2021 (die Urteilsausfertigung nennt versehentlich den „10. Mai 2021“) hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin eine Aufwandspauschale i.H.v. 300,00 Euro zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale gemäß § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V a.F. sei entstanden und auc...