Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Aufwandspauschale. Fälligkeit. Verjährung
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Januar 2020 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 100,- € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Zahlungsanspruch betreffend einer Aufwandspauschale in Höhe von 100,- €.
Die Klägerin ist Trägerin des Krankenhauses, in dem die bei der Beklagten versicherte Patientin V M (auch im Folgenden Patientin) in der Zeit vom 15. April 2008 bis 17. April 2008 stationär behandelt worden ist. Bezüglich dieses Behandlungsfalles erstellte der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) zwei sozialmedizinische Stellungnahmen (2. März 2009 und 1. Februar 2010), in denen er zu dem Ergebnis kam, dass ein Behandlungstag zu streichen sei. Die Beklagte nahm eine entsprechende Rechnungskürzung und Verrechnung vor. Das vor diesem Hintergrund geführte Klageverfahren beim Sozialgericht (SG) Berlin - S 72 KR 402/11 - wurde durch Urteil vom 3. Dezember 2015 entschieden, das die Klägerin Anspruch auf die ungekürzte Vergütung habe. Eine Aufwandspauschale wurde in dem benannten Verfahren von der Klägerin nicht geltend gemacht.
Mit der „Endabrechnung“ vom 27. April 2018 machte die Klägerin eine Aufwandspauschale von 100,- € geltend. Die Beklagte berief sich auf die Verjährung eines allfälligen Anspruchs und leistete keine Zahlung.
Mit der am 1. Juni 2018 erhobenen Klage hat die Klägerin die Zahlung von 100,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit begehrt. Das SG Berlin hat mit Urteil vom 23. Januar 2020 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin eine Aufwandspauschale in Höhe von 100.- € zu zahlen. Zum geltend gemachten Zinsanspruch enthält das Urteil keine Ausführungen. Zu seiner Begründung ist ausgeführt: Die als Leistungsklage zulässige Klage sei begründet. Die Klägerin habe einen Anspruch nach § 275 Abs. 1c Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) auf Zahlung der Aufwandspauschale, weil die im Jahr 2010 durchgeführte Prüfung im Ergebnis zu keiner Minderung des Vergütungsanspruches geführt habe. Nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V in der bis zum 24. März 2009 geltenden Fassung (aF) habe die Krankenkasse dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 100,- € zu entrichten, wenn die Prüfung der Abrechnung durch den MDK nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt habe. Auf dieser Grundlage sei der streitgegenständliche Anspruch entstanden. Aufgrund des Urteils des SG vom 3. Dezember 2015 stehe fest, dass der Vergütungsanspruch der Klägerin in der ursprünglich geltend gemachten Höhe bestehe und die eingeleitete MDK-Prüfung im Ergebnis zu keiner Minderung geführt habe. Der Anspruch auf die Aufwandspauschale sei auch nicht verjährt. Denn er sei nicht bereits im Jahr der MDK-Prüfung(en) (oder gar gemeinsam mit dem Vergütungsanspruch) entstanden und fällig geworden, sondern erst in dem Moment, in dem festgestanden habe, dass die eingeleitete MDK-Prüfung im Ergebnis zu keiner Minderung geführt habe. Dies sei in der vorliegenden Konstellation erst durch das Urteil des SG im Dezember 2015 der Fall gewesen. Die hier im Jahr 2018 erhobene Klage sei damit innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist erhoben. Der Auffassung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (LSG BB) in seinem Urteil vom 8. Dezember 2016 - L 1 KR 508/14 - juris -, wonach die Aufwandspauschale bereits fällig werde, sobald im Krankenhaus der Aufwand entstanden sei, sei nicht zu folgen. Soweit das Bundessozialgericht (BSG) in der Entscheidung vom 23. Juni 2015 - B 1 KR 24/14 R - in Rn. 10 ausgeführt habe: „Führt eine Einzelfallprüfung dagegen zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags, entfällt die Aufwandspauschale“, ergebe sich hieraus weder, dass es sich bei der Verwendung des Begriffs „entfällt“ um eine auflösende Bedingung handele noch sei erkennbar, dass das BSG tatsächlich eine Aussage zur Entstehung und Fälligkeit des Anspruchs auf Zahlung einer Aufwandspauschale habe treffen wollen. Aus den Intentionen des Gesetzgebers lasse sich entnehmen, dass bei dem System eher insgesamt eine regulatorische Wirkung gegenüber ausufernden Prüfungen beabsichtigt gewesen sei, als eine konkrete Bewertung der Rechtmäßigkeit des Prüfergebnisses des MDK. Bei diesem Verständnis der Regelung sei auf den tatsächlichen Zeitpunkt der Prüfung nicht maßgeblich abzustellen, sondern auf das wirtschaftliche Ergebnis (keine Minderung). Dies gelte auch, wenn dieses Ergebnis im Einzelfall erst erheblich später, nämlich gegebenenfalls nach einem Klageverfahren hinsichtlich des Vergütungsanspruches, feststehe. Der Wortlaut der Vorschrift lege die Annahme einer auflösenden Bedingung ebenfalls nicht nahe. Dort sei der Umstand, dass eine Prüfung nicht zur Minderung führe, vielmehr als Tatbestandsvoraussetzung oder als ausl...