Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung des Krankengeldes bei freiwillig versicherten hauptberuflichen Selbständigen. Bemessungsgrundlage. Bemessungszeitraum
Orientierungssatz
1. Krankengeld kann grundsätzlich nur als Ersatz für diejenigen Einkünfte beansprucht werden, die der Versicherte vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit als Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bezogen hat und die wegen der Erkrankung entfallen. Wegen der Entgeltersatzfunktion des Krankengeldes ist eine einschränkende Auslegung des § 47 Abs. 4 S. 2 SGB 5 geboten.
2. Der Krakengeldanspruch darf dem Versicherten grundsätzlich kein höheres Einkommen verschaffen, als er ohne Arbeitsunfähigkeit regelmäßig erzielt. Für die Berechnung des Krankengeldes bei freiwillig versicherten hauptberuflich Selbständigen ist im Sinn einer widerlegbaren Vermutung ein Regelentgelt zugrunde zu legen, das dem Betrag entspricht, aus dem zuletzt vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit freiwillige Beiträge entrichtet worden sind.
3. Liegen Anhaltspunkte vor, dass das ermittelte Arbeitseinkommen erkennbar nicht der wirtschaftlichen Situation des Versicherten vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit entspricht, ist das maßgebliche Arbeitseinkommen möglichst zeitnah zu ermitteln.
4. Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, dass pflichtversicherte Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung trotz gleich hoher Beiträge bei freiwillig versicherten hauptberuflich Selbständigen unterschiedlich hohe Ansprüche auf Krankengeld haben.
Tenor
Unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 26. Oktober 2006 geändert.
Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 17. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Juni 2005 verurteilt, an den Kläger für die Zeit vom 05. Januar bis 31. März 2005 Krankengeld in Höhe von weiteren 8,17 Euro kalendertäglich bei einem Auszahlungsbetrag von 8,10 Euro kalendertäglich zu gewähren.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu einem Drittel zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten höheres Krankengeld für die Zeit vom 05. Januar bis 31. März 2005.
Der Kläger, der seit 1987 hauptberuflich als Maler und Ausbaumeister selbständig tätig ist, ist bei der Beklagten mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 15. Tag der Arbeitsunfähigkeit freiwillig krankenversichert.
Am 22. Dezember 2004 erkrankte der Kläger erstmals im Jahr 2004 arbeitsunfähig. Vor diesem Zeitpunkt zahlte er Beiträge aus einem Einkommen in Höhe der Mindestbeitragsbemessungsgrenze (monatliche Beiträge zur Krankenversicherung von 277,12 Euro und zur Pflegeversicherung von 30,80 Euro, gesamt 307,92 Euro). In seinem Betrieb beschäftigte er keine Arbeitnehmer. Die Arbeitsunfähigkeit endete zum 31. März 2005.
Mit Bescheid vom 17. Januar 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger Krankengeld ab 05. Januar 2005 von 18,47 Euro kalendertäglich bei einem Auszahlungsbetrag von 18,31 Euro kalendertäglich (nach Abzug eines Beitragsanteils zur Pflegeversicherung in Höhe von 0,85 v. H. des Krankengeldes, also von 0,16 Euro kalendertäglich). Sie ermittelte diesen Betrag, indem sie ein Zwölftel der Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 2003 mit 9.496 Euro (Bescheid des Finanzamtes Nauen vom 02. September 2004 über Einkommensteuer für 2003), also 791,33 Euro, durch 12 und durch 30 dividierte und daraus (26,38 Euro) 70 v. H. (18,47 Euro) als Bruttokrankengeld errechnete.
Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe einen Beitrag von 307,92 Euro monatlich gezahlt, so dass ihm wegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und Art. 1 Abs. 3 GG höheres Krankengeld zustehe. Er legte die von ihm erstellte Gewinnermittlung vom 18. Januar 2005 für 2004 mit einem Gewinn von 13.548,46 Euro vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08. Juni 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Das Krankengeld berechne sich zwar aus dem kalendertäglichen Betrag des regelmäßigen Arbeitseinkommens, der zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung maßgebend gewesen sei. Allerdings seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. März 2004 - B 1 KR 32/02 R stets die tatsächlichen Einkünfte heranzuziehen.
Dagegen hat der Kläger am 01. Juli 2005 beim Sozialgericht Potsdam Klage erhoben und Nachzahlung von 23,80 Euro brutto kalendertäglich begehrt.
Er hat darauf hingewiesen, dass sein selbständiger Kollege P F, der ebenfalls Beiträge aus einem Einkommen in Höhe der Mindestbeitragsbemessungsgrenze gezahlt habe, für die selbe Zeit der Arbeitsunfähigkeit Krankengeld in Höhe von 42,27 Euro brutto kalendertäglich erhalten habe. Das Krankengeld sei nach der Mindestbeitragsbemessungsgrenze von 1.811,25 Euro Monatseinkommen zu berechnen. Bei einem Arbeitseinkommen von 9.496 Euro hätte er auch nur einen Beitrag von 116,72 Euro zu zahlen gehabt. Jedenfalls habe die Beklagte weder seinen Gewinn für 2004 noch die höheren Einkommen aus den Vorjahren berücksicht...