Entscheidungsstichwort (Thema)

Apherese. Vergiftung. Genehmigungsfiktion. Vorfestlegung. Bestimmtheit

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit stehen primär Ansprüche auf Erstattung der Kosten für durchgeführte Apherese-Behandlungen sowie auf Übernahme der Kosten für eine künftige derartige Therapie.

Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Kläger beantragte mit Schreiben vom 23. März 2015 - vom ihm persönlich am Folgetag in der Niederlassung Z in B übergeben - eine schriftliche Bestätigung einer Kostenübernahme „für eine Doppelmembranfiltrationsapherese“, welche im I-Tklinikum C erfolgen müsse. Beigefügt war ein „Ärztlicher Antrag“ des Dr. S dieses Klinikums vom 12. März 2015, wonach beim Kläger eine komplexe chronisch inflammatorische Multisystemerkrankung mit progressiv lebenszerstörendem und lebensbedrohlichem Charakter bestehe. Der Kläger reichte ferner ein Attest des Dr. W vom 25. September 2014 ein, wonach der Kläger an einer schweren chronischen Borreliose sowie an einer Mitochondriopathie sowie Schwermetallintoxination leide und der Verdacht auf eine Myokarditis bestehe, Atteste des Dr. R vom 09. September 2014 und des Dr. K vom 24. November 2014, zudem die Kopie einer „Forschungsinfo“ des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie vom 07. August 1995, und einen „Schlussbericht zu dem Fortsetzungsantrag Entstehung von Autoimmunkrankheit nach Exposition gegenüber Quecksilber bzw. Goldsalzen: Charakterisierung der an den T-Zellreaktionen beteiligten Selbstproteine“ des Prof. Dr. G von Oktober 1997. Er nahm zuletzt auch Bezug auf einen Beschluss des Sozialgerichts Berlin (SG) vom 25. Juli 2014 (Az. S 89 KR 1336/14 ER), in welchem eine gesetzliche Krankenkasse im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet worden war, sechs therapeutische Apherese-Behandlungen im I-M zu übernehmen.

Mit Schreiben vom 30. März 2015 beauftragte die Beklagte den MDK Berlin-Brandenburg e.V. (MDK) mit einer Einzelfallbegutachtung. Am selben Tag teilte sie dem Kläger schriftlich die Einschaltung des MDK mit. Sie wies dabei darauf hin, dass Versicherte einen Anspruch auf Krankenbehandlung grundsätzlich nur in zugelassenen Einrichtungen hätten. Das I-Klinikum C sei jedoch eine Privatklinik. Über die medizinische Notwendigkeit einer privatärztlichen Behandlung könne nur im Rahmen einer Einzelfallprüfung entschieden werden. Eine Übernahme der Kosten einer privatärztlichen Behandlung könne nur in Höhe der vertraglich vereinbarten Vergütung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgen.

Mit Faxschreiben vom 01. April 2015 bat der Kläger um Zustimmung bis zum 07. April 2015. Es gehe ihm sehr schlecht. Er leide jeden Tag, habe Beschwerden und Schmerzen. Daraufhin informierte ihn die Beklagte mit Schreiben vom 02. April 2015 erneut darüber, dass die beantragte Leistung grundsätzlich nicht zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zähle. Am 10. April 2015 reichte der Kläger ein Attest der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 09. April 2015 bei der Beklagten ein. Am gleichen Tag stellte er beim Sozialgericht Berlin (SG) den Antrag, die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, umgehend die Kosten für eine therapeutische Doppelmembranfiltrations-Apherese zu übernehmen (Az. S 72 KR 1002/15 ER). In einem Telefonat ebenfalls am 10. April 2015 teilte der Sachbearbeiter der Beklagten B dem Kläger mit, dass nach den vorgelegten Unterlagen nicht von einem lebensgefährlichen bzw. lebensbedrohlichen Zustand ausgegangen werde. Dazu sei der MDK eingeschaltet. Taggleich forderte der MDK von der behandelten Hausärztin J sowie den Drs. S, W und Dr. R ergänzende Unterlagen bzw. Informationen an.

Die Gutachterin T des MDK gelangte in ihrem sozialmedizinischen Gutachten vom 13. April 2015 zu dem Ergebnis, die in den Attesten genannten Erkrankungen seien nicht durch objektive Befunde belegbar. Sie habe die behandelnden Ärzte des Klägers nicht erreichen können. Es gebe für die berichteten Erkrankungen keine ausreichenden Nachweise der Wirksamkeit der beantragten therapeutischen Apheresen in der I-Tklinik C. Die Annahme einer schweren bzw. lebensbedrohlichen Erkrankung sei nicht nachvollziehbar. Da keine objektiven Befunde vorlägen, könnten auch keine Alternativen benannt werden. Prinzipiell sei die Durchführung einer Apherese in Krankenhäusern und auch ambulant möglich. Dieses Gutachten wurde dem SG im Rahmen des Eilverfahrens am selben Tag übermittelt und gleichzeitig eine weitere Stellungnahme des MDK angekündigt.

Am 15. April 2015 und am 20. April 2015 ließ der Kläger im I-Tklinikum C so genannte „diagnostische Apheresen“ durchführen. Laut ärztlicher Bescheinigung des Klinikums vom 15. Oktober 2020 erfolgte zu jeder Behandlung ein schriftlicher Behandlungsvertrag. Der Kläger bezahlte für die Behandlung am 15. April 2015 1.978,81 €, für diejenige am...

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