Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Bejahung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zur Bewilligung von Erwerbsminderungsrente
Orientierungssatz
1. Die Gewährung von Erwerbsminderungsrente setzt nach § 43 Abs. 2 Nr. 2 SGB 6 u. a. das Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung voraus. Fehlt es an dieser sog. Drei-Fünftel-Belegung, ist die Gewährung von Erwerbsminderungsrente ausgeschlossen.
2. Eine Zulassung zur Entrichtung freiwilliger Beiträge zur Erhaltung des Rentenanspruchs im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs setzt u. a. einen Beratungsfehler der Behörde voraus. Der Anspruch verpflichtet die Behörde dort, wo dem Versicherten durch Verwaltungsfehler ein Nachteil in seinen sozialen Rechten entstanden ist, den sozialrechtlichen Zustand herzustellen, der bestanden hätte, wenn die Behörde von Anfang an richtig gehandelt hätte. Über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kann der Versicherungsträger nicht zu einem rechtswidrigen Handeln, nämlich zu einer Rentengewährung ohne Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, verpflichtet werden.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 3. April 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU), hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit (BU).
Der 1941 geborene, seit Juli 2001 in Belgien lebende Kläger legte in der Bundesrepublik Deutschland rentenrechtliche Zeiten als Angestellter vom 1. September 1955 bis zum 30. Juni 1980 zurück; auf den Versicherungsverlauf vom 22. Januar 1985 wird Bezug genommen. Nach seiner Übersiedlung nach Irland war er als Inhaber einer H selbständig tätig, und zwar bis zum 31. Mai 2001. Er entrichtete als Selbständiger Beiträge der Klasse S zur irischen Sozialversicherung für die Zeit von April 1988 bis April 1991, von April 1994 bis April 1996 und von April 1998 bis April 2000 (Versicherungsverlauf des irischen Sozialversicherungsträgers vom 12. Dezember 2003).
Im April 1999 beantragte der aufgrund einer rheumatoiden Arthritis seit dem 28. Januar 1999 behandlungsbedürftig erkrankte Kläger die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte lehnte den an sie weitergeleiteten Antrag mit Bescheid vom 10. Januar 2001 ab mit der Begründung, dass der Kläger in seinem bisherigen Beruf und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig tätig sein könne. Im Widerspruchsverfahren veranlasste die Beklagte noch eine ärztliche Begutachtung des Klägers durch den Orthopäden Dr. M in A (Gutachten vom 04. April 2002), der dem Kläger ein nur noch unter dreistündiges Leistungsvermögen attestierte. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Ausgehend von einem Leistungsfall der EU mit Eintritt der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit am 15. Januar 1999 seien die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht erfüllt. Der Kläger habe im maßgeblichen Zeitraum vom 15. Januar 1994 bis zum 14. Januar 1999 lediglich 20 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Es bestehe auch kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung (EM) nach dem ab 01. Januar 2001 geltenden Recht.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Berlin eine Auskunft zur Rechtsnatur der von dem Kläger in Irland entrichteten Beiträge zur Sozialversicherung eingeholt; mit Schreiben vom 06. Februar 2005 teilte das Department of Social and Family Affairs - Social Welfare Services Office - mit, dass mit den Pflichtbeiträgen der Klasse S, die der Kläger in Irland als Selbständiger entrichtet habe, kein Versicherungsschutz gegen Invalidität oder Behinderungen bestehe. Der Kläger habe lediglich Anspruch auf eine Alterspension mit Vollendung des 66. Lebensjahres. Mit Gerichtsbescheid vom 3. April 2006 hat das SG die auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach den §§ 43, 44 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) in den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassungen (im Folgenden ohne Zusatz zitiert). Denn ausgehend von einem Eintritt der Erwerbsminderung am 15. April 1999 seien die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Die im Rahmenzeitraum ausschließlich in Irland zurückgelegten Versicherungszeiten seien nicht mit Pflichtbeiträgen zur deutschen Rentenversicherung, die eine Absicherung gegen den Versicherungsfall der verminderten Erwerbsfähigkeit vermittelten, gleichzusetzen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren...