Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragspsychotherapeutische Versorgung. Ablehnung der Zulassung wegen Zulassungsbeschränkung. Anordnung der Beschränkung bei Antragstellung. Feststellung einer Überversorgung obliegt Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen. Wirksamkeit des Zulassungsantrages. baldige Aufnahme der vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit. Ermessen. Zulassungsgremien
Orientierungssatz
1. Ein Antrag auf Zulassung zur vertragsärztlichen bzw vertragspsychotherapeutischen Versorgung kann wegen einer Zulassungsbeschränkung nur dann abgelehnt werden, wenn eine entsprechende Beschränkung bereits bei Antragstellung angeordnet war.
2. Die Feststellung einer Überversorgung der Versicherten mit Ärzten einer bestimmten Arztgruppe in einem bestimmten Planbereich und die danach zwingend anzuordnende Zulassungsbeschränkung obliegt allein dem Landes- und in keinem Fall dem Bundesausschuss.
3. Ein Zulassungsantrag muss zu seiner Wirksamkeit darauf gerichtet sein, die vertragsärztliche bzw vertragspsychotherapeutische Tätigkeit alsbald aufzunehmen. Ein rechtsmissbräuchlicher Antrag auf Vorrat liegt dann vor, wenn der Zulassungsbewerber erkennbar noch nicht alsbald in die Lage kommt, eine vertragsärztliche bzw vertragspsychotherapeutische Tätigkeit aufzunehmen.
4. Die Zulassung steht im pflichtgemäßen Ermessen der Zulassungsgremien. Das Gericht hat den Zulassungsausschuss daher bei Stattgabe der Klage dazu zu verpflichten, über den Zulassungsantrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. März 2005 geändert:
Der Beklagte wird verpflichtet, über den Zulassungsantrag des Klägers vom 19. August 2003 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens zu ¾, der Kläger zu ¼ mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 2) bis 7), die ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als Psychologischer Psychotherapeut im ehemaligen Planungsbereich L des Zulassungsbezirks B.
Der 1959 geborene und im Juli 2003 in das Arztregister (Psychotherapeuten) des Zulassungsbezirks H eingetragene Kläger ist Diplompsychologe. Auf dem hierfür vorgesehenen Formular beantragte er am 19. August 2003 bei dem Zulassungsausschuss für Ärzte und Psychotherapeuten im Zulassungsbezirk B (Zulassungsausschuss), ihn im ehemaligen Planungsbereich L als Psychologischen Psychotherapeuten zuzulassen. Hierzu gab er u. a. an, dass die beabsichtigte vertragspsychotherapeutische Tätigkeit zum 1. Dezember 2003 aufgenommen werden solle; er befinde sich zurzeit mit einem Umfang von 19,25 Stunden pro Woche in einem Anstellungsverhältnis als Diplompsychologe beim Bezirksamt C von B und beabsichtige, die vorgenannte Beschäftigung im Falle der Zulassung mit 13 Stunden pro Woche fortzusetzen. Mit seinem am 24. September 2003 beim Zulassungsausschuss eingegangenen Schreiben vom Vortag beantragte er ergänzend, ihn im Wege einer Sonderbedarfszulassung zur Behandlung von türkischen und arabischen Patienten zuzulassen, und erklärte, im Falle der Feststellung eines Sonderbedarfs sei er bereit, sich in einem Bezirk mit hohem Ausländeranteil niederzulassen. Nachdem ihn der Zulassungsausschuss darauf hingewiesen hatte, dass sich für ihn aus der Art der angestrebten Nebentätigkeit ein der Zulassung entgegenstehender Interessenkonflikt ergeben dürfte und der Umstand, dass er überhaupt eine Nebentätigkeit ausüben wolle, gegen den von ihm behaupten Sonderbedarf spreche, teilte der Kläger am 4. Oktober 2003 mit, er sei im Falle einer Sonderbedarfszulassung bereit, seinen Arbeitsvertrag zu kündigen, falls der Zulassungsausschuss der Meinung sein sollte, dass diese Tätigkeit mit einer Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung nicht vereinbar sei. Darüber hinaus überreichte er in der Folgezeit zahlreiche Schreiben von Ärzten und Krankenkassen, in denen darauf hingewiesen worden war, dass in Berlin ein dringender Bedarf für die Zulassung von türkisch und/oder arabisch sprechenden Psychotherapeuten bestehe.
Mit seinem Beschluss vom 5. November 2003 lehnte der Zulassungsausschuss die Anträge des Klägers ab und führte zur Begründung aus: Dem Antrag vom 19. August 2003 stehe entgegen, dass der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in B (im Folgenden: LA) bereits zum 1. Juni 2003 und damit schon vor Eingang des Zulassungsantrags für den neu gebildeten Planungsbereich B Bundeshauptstadt eine Zulassungssperre für Psychologische Psychotherapeuten angeordnet habe. Der Antrag vom 24. September 2003 habe keinen Erfolg haben können, weil es der Sicherstellungsauftrag nicht verlange, für jeden fremdsprachigen Bevölkerungsanteil eine ausreichende Anzahl von Psychotherapeuten zur ...