Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Syndikusanwalt

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

2. Ein sog. Syndikusanwalt steht als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis bei einem bestimmten Arbeitgeber. Die mit diesem Verhältnis verbundenen Bindungen und Abhängigkeiten stehen nicht im Einklang mit dem normierten Berufsbild des Rechtsanwalts als freiem und unabhängigen Berater und Vertreter aller Rechtsuchenden. Damit übt er seine Tätigkeit als abhängige Beschäftigung aus. Dies gilt auch dann, wenn er als Beauftragter für den Datenschutz in Ausübung seiner Fachkunde auf dem Gebiet des Datenschutzes nach § 4f Abs. 3 S. 2 BDSG weisungsfrei ist.

3. Rechtsanwälte können nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB 6 von der Versicherungspflicht nur befreit werden, wenn sie bei Bestehen einer berufsständischen Versorgung eine für einen Rechtsanwalt typische anwaltliche Tätigkeit ausüben. Das ist bei einem Syndikusanwalt nicht der Fall.

4. Die gesetzliche Regelung ist verfassungsgemäß.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 05.09.2017; Aktenzeichen B 5 RE 5/17 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Befreiung von der Versicherungspflicht.

Die im März 1979 geborene Klägerin wurde nach dem mit der Beigeladenen abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 26. November 2009 ab 1. Dezember 2009 als Mitarbeiterin im Sachbereich Datenschutz für 40 Stunden wöchentlich mit einem Gehalt von 1.500,00 Euro monatlich eingestellt. Sie befand sich vom 1. November 2013 bis 31. Dezember 2014 in Mutterschutz und vom 22. Juni 2015 bis 10. Juli 2016 in Elternzeit. Im Anschluss daran wurde das Arbeitsverhältnis mit der Beigeladenen nicht fortgesetzt.

Seit dem 25. August 2010 ist die Klägerin als Rechtsanwältin zugelassen und seit dem 9. September 2010 kraft Gesetzes Mitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte in B.

Am 15. Dezember 2010 stellte die Klägerin einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Sie bat darum, die Befreiung mit Wirkung auf den Beginn der Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Rechtsanwälte vorzunehmen, damit sie nicht mit einer doppelten Rentenversicherung belastet sei. Sie trug vor, bei der Beigeladenen als Datenschutzbeauftragte angestellt zu sein. Dies habe zum Inhalt, dass sie in mehreren Unternehmen als interne Datenschutzbeauftragte bestellt sei und in diesem Zusammenhang ihre Tätigkeit gemäß § 4 f Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) weisungsfrei durchzuführen habe. Als externe betriebliche Datenschutzbeauftragte analysiere sie die datenschutzrechtliche Situation eines Unternehmens. Darauf aufbauend würden Maßnahmen zur Umsetzung des Datenschutzes vorgelegt und begleitet. Eine regelmäßige Kontrolle des Datenschutzniveaus werde von ihr durchgeführt. Außerdem präsentiere und vermittle sie Rechtszusammenhänge im Rahmen ihrer Anstellung bei der Beigeladenen als Seminarleiterin für die Ausbildung interner Datenschutzbeauftragten mit dem Inhalt, dass sie den Regelungskomplex des Datenschutzes darstelle. Der Geschäftsführer der Beigeladenen habe sie damit beauftragt, sich um ihre Zulassung zur Rechtsanwältin zu bemühen, da sie bei allen Haftungsfragen der Beigeladenen und deren Mandanten die außergerichtlichen und gerichtlichen Vertretungen durchführe. Darüber hinaus erfolge ihrerseits Rechtsberatung und prozessuale Betreuung von Mandanten außerhalb des Datenschutzes, insbesondere in den Rechtsgebieten Urheber- und Wettbewerbsrecht. Diese Ausführungen der Klägerin bestätigte die Beigeladene.

Mit Bescheid vom 15. März 2011 lehnte die Beklagte den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht für die Tätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen ab, da es sich nicht um eine berufsständische (anwaltliche) Tätigkeit handele. Die Zulassung als Rechtsanwältin reiche dafür nicht aus. Rechtsanwälte, die bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber beschäftigt seien, könnten nur befreit werden, wenn sie dort eine für einen Rechtsanwalt typische anwaltliche Tätigkeit ausübten. Zu den Kriterien, nach denen sich die anwaltliche Tätigkeit von einer bloß juristischen Tätigkeit abgrenzen lasse, gehörten die Tätigkeitsfelder Rechtsberatung, Rech...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?