Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensanrechnung beim Bezug einer großen Witwenrente. Rente der Unfallversicherung. Beamtenversorgung. Grenzbetrag. Zweite Heirat

 

Orientierungssatz

1. Besteht für denselben Zeitraum Anspruch auf eine Witwenrente oder auf eine solche aus der Unfallversicherung nach dem letzten Ehegatten, so ist dieser Anspruch nach § 314 Abs. 2 S. 2 SGB 6 auf eine Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten anzurechnen. Ist der Versicherte bereits vor dem 1. 1. 1986 verstorben, so ordnet § 314 Abs. 2 S. 2 SGB 6 insoweit abweichend gegenüber § 90 Abs. 1 HS. 2 SGB 6 an, dass die Ansprüche nur in der Höhe berücksichtigt werden, die sich nach Anwendung der Vorschriften über die Einkommensanrechnung auf Renten wegen Todes ergibt.

2. Die einschränkende Auslegung des § 90 Abs. 1 HS. 1 SGB 6 verbietet, denselben Betrag nochmals von der großen Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten abzuziehen, wenn dieser für den gleichen Monat bereits von der Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten aus der gesetzlichen Unfallversicherung abgezogen worden ist.

3. Ziel dieser Regelung ist es, dass die wiederverheiratete Witwe nach Auflösung der zweiten Ehe sich nicht schlechter, aber auch nicht besser stellt als nach Auflösung der ersten Ehe und dass die infolge der Auflösung der zweiten Ehe entstandenen Ansprüche nicht zu Lasten der wiederauflebenden Ansprüche gekürzt werden, vgl. BSG, Urteil vom 29. März 1966 - 1 RA 191/63.

4. Die Witwe muss sich daher von jedem Leistungspflichtigen die Anrechnung des vollen Betrags dieser Ansprüche gefallen lassen; sie braucht dies aber auch nur einmal hinzunehmen, vgl. sowohl BSG, Urteile vom 29. März - 1 RA 191/63 sowie vom 25. Juni 1975 - 4 RJ 31/74.

 

Normenkette

SGB VI § 65 Abs. 5, § 90 Abs. 1, § 93 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1, §§ 98, 266, 311 Abs. 1, 2 Nr. 1, Abs. 5 S. 1 Nr. 1, § 312 Abs. 1 Nr. 2, § 314 Abs. 2; RVO § 1278 Abs. 1 S. 2, § 1279 Abs. 1, § 1281

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Juli 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung der ihr dem Grunde nach gewährten großen Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten.

Die 1944 geborene Klägerin war in erster Ehe seit 1962 mit dem im Februar 1939 geborenen und 1966 verstorbenen Versicherten W N (vorletzter Ehegatte) verheiratet. Nach dessen Tod bezog sie jeweils bis zur Wiederverheiratung Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung von der Landesversicherungsanstalt Berlin und Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Am 26. Januar 1973 verheiratete sich die Klägerin mit dem im Juli 1941 geborenen und 2006 verstorbenen H B (letzter Ehegatte). Nach dessen Tod wurde ihr Witwengeld nach den Vorschriften des Beamtenversorgungsgesetzes ab 01. September 2006 mit einem Bruttobetrag von 486,23 Euro und ab 01. Dezember 2006 mit einem Bruttobetrag von 691,19 Euro bewilligt (Hinterbliebenen-Versorgungsfestsetzungsbescheid des Landesverwaltungsamtes Berlin vom 16. August 2006 nebst Versorgungsnachweisen vom 16. August 2006 und vom 26. Oktober 2006).

Mit Bescheid vom 18. September 2006 gewährte die Beklagte der Klägerin große Witwenrente aus der Versicherung des letzten Ehegatten ab 01. September 2006 mit einer monatlichen Rente von 427,38 Euro und ab 01. Dezember 2006 wegen anzurechnenden Einkommens von 34,01 Euro mit einer monatlichen Rente von 222,42 Euro.

Mit Bescheid vom 29. November 2006 verfügte die Beklagte, dass die große Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten ab 01. September 2006 nicht gezahlt wird. Sie wies darauf hin, dass die Rente zunächst gemäß § 42 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) als Vorschuss gewährt werde. Die endgültige Feststellung der Rente werde noch gewisse Zeit in Anspruch nehmen.

Mit Bescheid vom 21. Dezember 2006 bewilligte die Beigeladene der Klägerin Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten nach § 65 Abs. 5 SGB VII ab 01. September 2006. Sie verfügte, dass die dem Grunde nach in Höhe von 758,43 Euro zustehende Rente nicht gezahlt wird, da auf diese Rente Ansprüche nach dem letzten Ehegatten in einer Gesamthöhe von 913,61 Euro (Witwenrente gegenüber der Beklagten nach dem letzten Ehegatten von 427,28 Euro und Versorgungsanspruch gegenüber dem Landesverwaltungsamt Berlin von 486,23 Euro) anzurechnen seien, so dass für weitere Anrechnungen durch die Rentenversicherung 155,18 Euro verblieben. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beigeladene mit Widerspruchsbescheid vom 18. September 2007 zurück. Dagegen ist die beim Sozialgericht Berlin anhängige Klage S 25 U 876/07 anhängig. Dieses Verfahren ruht.

Mit Bescheid vom 27. Februar 2007 stellte die Beklagte die zunächst vorschussweise gewährte große Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten ab 01. September 2006 neu fest und verfügte, dass die dem Grunde nach in Höhe von 457,28 Euro zustehende Rente wegen zu berücksichtig...

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