Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuweisung eines Regelleistungsvolumens. Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten. Vorbehalt. Gesamtpunktzahlvolumen. Streitgegenstand

 

Orientierungssatz

Parallelentscheidung zu dem Urteil des LSG Berlin-Potsdam vom 30.4.2014 - L 7 KA 154/11, das vollständig dokumentiert ist.

 

Normenkette

SGB V a.F. § 87 Abs. 3 S. 3, Abs. 5; SGB X § 32 Abs. 1; SGG §§ 86, 96

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. November 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt ein höheres Regelleistungsvolumen (RLV) für das Quartal I/09 unter dem Aspekt von Praxisbesonderheiten.

Der Kläger nahm als Facharzt für Kinderheilkunde von Januar 1989 bis Dezember 2012 im Berliner Bezirk S an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Seit 2007 führt er die Zusatzbezeichnung Neuropädiatrie. Der Anteil der neuropädiatrischen Gebührenordnungspositionen - GOP - (Unterkapitel 4.4.2 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs - EBM - 2008) an den vom Kläger insgesamt erbrachten Leistungen betrug im Quartal IV/07 6,76 %, in den Quartalen I/08 bis IV/08 durchschnittlich 26,12 % und im Quartal I/09 26,31 %.

Die Beklagte wies dem Kläger das RLV für das Quartal I/2009 nach folgender Berechnung zu (Bescheid vom 11. Dezember 2008):

I/2009

 arztindividuelle Fallzahl

 1207 

 Fallwert der Arztgruppe in €

 31,47

 durchschnittliche Fallzahl der Arztgruppe

 926   

 Morbiditätsfaktor

 0,9867

 arztindividuelles RLV in €

 37.479,10

Dieser Bescheid ist nicht bestandskräftig, sondern mit dem (auch weitere Quartale betreffenden) Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2013 Gegenstand des noch nicht abgeschlossenen Rechtsstreits S 71 KA 211/13 vor dem Sozialgericht Berlin.

Am 20. Dezember 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten ein erweitertes RLV, weil sein Fallwert seit Januar 2008, d.h. seit der Möglichkeit, neuropädiatrische Ziffern abzurechnen, den durchschnittlichen Fallwert der hausärztlichen Pädiater um 65 % übersteige. Außerdem könne er erst ab 2009 aufgrund einer Änderung des einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) für seine zahlreichen Migräne-Patienten die Betreuungspauschale nach der Gebührenordnungsposition (GOP) 04433 abrechnen.

Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30. März 2009 ab, weil die Differenz zwischen dem arztindividuellen RLV-relevanten Fallwert seiner Praxis aus dem Quartal I/08 und dem RLV-Fallwert seiner Arztgruppe der hausärztlichen Kinderärzte / fachärztliche Kinderärzte ohne Schwerpunkt im Quartal I/09 mit 7,72 % unter der mindestens erforderlichen Differenz von 30 % liege. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2009 zurück.

Der Widerspruch des Klägers gegen seinen Honorarbescheid für das Quartal I/09 wurde von der Beklagten bislang wegen der offenen Verfahren zur RLV-Zuweisung nicht bearbeitet.

Mit Urteil vom 30. November 2011 hat das Sozialgericht die Bescheide vom 30. März 2009 und 15. Dezember 2009 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Anerkennung von Praxisbesonderheiten für das Quartal I/09 unter Beachtung der Rechtsauffassung erneut zu entscheiden; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Sozialgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Die Bescheide der Beklagten seien rechtswidrig, weil es im Bereich der Beklagten für das Quartal I/09 an der zwingend erforderlichen gesamtvertraglichen Regelung zu Praxisbesonderheiten gefehlt habe. Teil F Nr. 3.6 des Beschlusses des erweiterten Bewertungsausschusses (EBewA) vom 27./28. August 2008 ermögliche keine Prüfung von Praxisbesonderheiten im Einzelfall, sondern überlasse die diesbezüglichen Einzelheiten und das Verfahren den Gesamtvertragspartnern. Eine entsprechende Regelung enthalte der durch Beschluss des Landesschiedsamtes vom 21. November 2008 festgesetzte Honorarvertrag (HV) bezüglich des Quartals I/09 nicht. Auch Teil 2 Nr. 1 des Beschlusses des Landesschiedsamtes stelle keine taugliche Rechtsgrundlage dar, weil sie ihrerseits nur auf Teil F Nr. 3.6 des Beschlusses des EBewA verweise, aber auch weil das Landesschiedsamt in Teil 2 Nr. 4 seines Beschlusses den Partnern des HV aufgegeben habe, bis zum 15. Dezember 2008 Regelungen zu Praxisbesonderheiten abzustimmen. Die in der ersten Änderungsvereinbarung zum HV vorgenommenen Neuregelungen in § 5 Abs. 9 HV beträfen ausdrücklich erst den Zeitraum ab dem 1. April 2009. Ohne die erforderlichen Detailregelungen seien Entscheidungen über die Anerkennung von Praxisbesonderheiten nicht möglich. Der Beschluss des EBewA lasse z.B. offen, auf welche Fallwerte konkret bezüglich der 30%-Grenze abzustellen sei, wie und in welchem Umfang bei Vorliegen von Praxisbesonderheiten die Anerkennung zu erfolgen habe und ob der Beklagten insofern ein Ermessen zustehe. Auch eine grundsätzlich zulässige Delegation der Regelungsbefugnis auf den Vorstand der Beklagten sei nicht erfolgt.

Im Rahmen de...

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