Entscheidungsstichwort (Thema)

Verjährung des Erstattungsanspruchs des Rentenversicherungsträgers gegen den zuständigen Träger der Versorgungslast nach § 225 Abs 1 SGB 6

 

Orientierungssatz

1. Zur Verjährung des Erstattungsanspruchs des Rentenversicherungsträgers gegen den zuständigen Träger der Versorgungslast nach § 225 Abs 1 SGB 6.

2. Ein bloßes Unterlassen des Betreibens des Erstattungsverfahrens bewirkt nicht die Annahme einer Verwirkung des Erstattungsanspruchs.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 31.03.2022; Aktenzeichen B 5 R 44/21 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte als Träger der Versorgungslast an die Klägerin als Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung Aufwendungen aufgrund von Rentenzahlungen zu erstatten hat, die durch Entscheidung des Familiengerichts begründet worden sind.

Im Rahmen eines Ehescheidungsverfahrens wurde zu Lasten der Versorgung der geschiedenen Ehefrau des Versicherten beim Freistaat Bayern, vertreten durch die Bezirksfinanzdirektion A, auf das ursprünglich von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und nunmehr von der Klägerin (im Folgenden nur Klägerin genannt) geführte Versicherungskonto des Versicherten Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 140,98 DM (72,08 EUR), bezogen auf den 30. November 2000, begründet (rechtskräftig gewordenes Urteil des Amtsgerichts (AG) H vom 05. April 2001). Seit Januar 2002 bezieht der Versicherte von der Klägerin eine Altersrente unter Berücksichtigung des Zuschlags aus dem Versorgungsausgleich.

Mit Schreiben vom 04. Januar 2018 machte die Klägerin beim Beklagten die Erstattung von Aufwendungen für den Versicherten aus dem Versorgungsausgleich für die Zeit des Rentenbezugs von Januar 2002 bis Dezember 2012 in Höhe von insgesamt 10.882,88 EUR geltend; wegen der Einzelheiten wird auf die Anforderungen Bezug genommen. Der Beklagte berief sich auf Verjährung.

Die Klägerin hat anschließend vor dem Sozialgericht (SG) Berlin Klage erhoben und - gestützt auf § 225 Abs 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - ihren Anspruch gegen den Beklagten weiterverfolgt. Die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greife wegen der Regelung in § 2 Abs 4 Versorgungsausgleichs- Erstattungsverordnung vom 09. Oktober 2001 (BGBl I 2628; VAErstV 2002) nicht durch (Hinweis auf Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Februar 2015 - L 4 R 819/12 NZB, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 08. Dezember 2015 - L 12 R 53/13, unveröffentlicht), die auch von der Ermächtigungsgrundlage des § 226 SGB VI gedeckt sei (Hinweis auf LSG Berlin- Brandenburg, Urteil vom 08. Dezember 2015 - L 12 R 53/13, das Bezug nimmt auf Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 14. März 2006 - B 4 RA 8/05 R, juris RdNr 18 ff).

Der Beklagte ist der Klage im Wesentlichen mit der folgenden Begründung entgegengetreten: Der Gesamtschau der Verjährungsregelungen im Sozialrecht sei der Grundsatz einer vierjährigen Verjährungsfrist zu entnehmen. Ausweislich der Begründung zur VAErstV 2002 (vgl BR-Drucks 646/01 vom 15. August 2001, S 8) habe der Verordnungsgeber in § 2 Abs 4 VAErstV 2002 die Verjährungsregelung des § 113 SGB Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (alte Fassung; aF) nachbilden wollen, die bereits für Erstattungsansprüche nach der vom 01. Juli 1997 bis zum 31. Dezember 2001 geltenden VAErstV (vom 11. März 1980 (VAErstV 1980) idF der Verordnung vom 20. Dezember 1985) maßgeblich gewesen sei. § 113 Abs 1 SGB X aF habe eine Verjährungsfrist von vier Jahren beginnend mit dem Ablauf des Kalenderjahres der Anspruchsentstehung vorgesehen. Nach § 113 Abs 1 Satz 1 SGB X in der seit dem 01. Januar 2001 geltenden Fassung (neue Fassung; nF) verjährten Erstattungsansprüche in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in der der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt habe. Obwohl lediglich eine redaktionelle Änderung des § 113 Abs 1 SGB X aF beabsichtigt gewesen sei, erfasse der Wortlaut des § 113 Abs 1 Satz 1 SGB X nF Kostenerstattungsansprüche zwischen den Trägern nicht mehr, wenn - wie im Fall des § 225 Abs 1 SGB VI - keine Entscheidung über die Leistungspflicht ergehe. Folglich könnten solche Erstattungsansprüche überhaupt nicht verjähren, was vom Gesetzgeber erkennbar nicht gewollt gewesen sei. Diesbezüglich sei durch die Änderung eine planwidrige Regelungslücke entstanden. Dies sei bei der Zugrundelegung des Regelungsgehalts des § 113 Abs 1 Satz 1 SGB X nF für § 2 VAErstV 2002 offenbar verkannt worden. Im Rahmen des § 113 Abs 1 Satz 1 SGB X erscheine es zur Schließung der Regelungslücke am überzeugendsten, § 111 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) analog heranzuziehen (Hinweis ua auf Kater in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, RdNr 6 ...

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