Entscheidungsstichwort (Thema)
Abhängige Beschäftigung. Reinigungsarbeiten. Vertretung. Sozialversicherungspflicht. Reinigungskraft. Gelegentliche Vertretung durch Familienangehörige. Selbstständige Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Eine Reinigungskraft kann abhängig beschäftigt sein, auch wenn die Arbeitszeit weitgehend frei ist und keine näheren Weisungen bestehen und sie sich auch von ihrer Tochter vertreten lassen kann.
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 13. März 2008 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Beigeladenen haben jedoch ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit ist ein Prüfbescheid der Beklagten, in welchem diese von einer unselbständigen Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin im Zeitraum 1. Oktober 2002 bis 30. Juni 2004 ausgegangen ist.
Die Klägerin ist eine Rechtsanwaltskanzlei. Die Beigeladene zu 1) führte in den Räumen der Kanzlei in der B in F Reinigungsarbeiten durch.
Die Beteiligten schlossen hierzu rückwirkend am 7. Oktober 2002 einen “Honorarvertrag„, welchen die Klägerin in ähnlicher Form bereits bei früheren Mitarbeitern verwendet hatte. Die Beigeladene zu 1) war damals beim Arbeitsamt als arbeitsuchend gemeldet.
In § 1 des Vertrages heißt es:
“Frau B wird ab dem 1. Oktober 2002 selbständig und in eigener Verantwortung die Reinigungsarbeiten (...) übernehmen.„
§ 2 lautet unter anderem:
“Der Mitarbeiter unterliegt bei der Durchführung der übertragenen Tätigkeiten keinen Beschränkungen oder Weisungen der Firma.„
In § 3 Arbeitsaufwand/Anwesenheit wurde geregelt:
“Art und Umfang der dem Mitarbeiter nach § 1 übertragenen Aufgaben ergeben sich aus der Tätigkeit. Der Mitarbeiter bestimmt dabei die Tätigkeitszeiten in der Firma in eigener Verantwortung; der Mitarbeiter ist bestrebt, seine Tätigkeit außerhalb der Kernarbeitszeit der Firma zu verrichten. Der Mitarbeiter hat keinen Anspruch auf Stellung eines Arbeitsplatzes durch die Firma. Ebenfalls besteht kein Anspruch des Mitarbeiters auf Mitbenutzung der Firmeneinrichtung und -geräte.„
In § 5 Abs. 1 wurde ein Pauschalhonorar von 340,- Euro pro Monat vereinbart. Nach Abs. 2 sollte der Mitarbeiter den Honorarbetrag der Firma zzgl. der baren Auslagen und Sachkosten aus der Tätigkeit in Rechnung stellen.
Nach § 6 sollte der Mitarbeiter für die Versteuerung der Vergütung und seiner versicherungsrechtlichen Belange selbst sorgen.
In § 8 (Sonstiges) heißt es, von der Möglichkeit des Abschlusses eines Anstellungsvertrages sei in Anwendung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit und in Ansehung des geringen Tätigkeitsaufkommens in der Firma sowie der sonstigen Tätigkeiten des Mitarbeiters für Dritte bewusst kein Gebrauch gemacht worden. Eine Umgehung arbeitsrechtlicher oder arbeitsgesetzlicher Schutzvorschriften sei nicht beabsichtigt. Dem Mitarbeiter solle vielmehr auf Grund der o. g. Gründe und seiner persönlichen Lebensplanung die Möglichkeit anderweitiger Beschäftigung gelassen werden. Eine über den Umfang dieser Vereinbarung hinausgehende persönliche, wirtschaftliche oder soziale Abhängigkeit werde nicht begründet.
Nach § 10 schließlich sollten Nebenabreden und Änderungen des Vertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedürfen. Dieses Formerfordernis selbst könne weder mündlich noch stillschweigend aufgehoben werden oder außer Kraft gesetzt werden.
Entgegen der vertraglichen Regelung, stellte die Beigeladene zu 1) der Klägerin von Anfang an keine Sachkosten und Auslagen in Rechnung. Sie ließ sich, soweit sie selbst verhindert war, im Einvernehmen mit der Klägerin von ihrer Tochter vertreten.
Am 28. Juni 2004 schlossen die Vertragsparteien eine neue Regelung welche der ersten in weiten Teilen entsprach. Auch dort ist die Klägerin als “Firma„ bezeichnet und die Beigeladene zu 1) als “Mitarbeiter„. Die §§ 1 bis 3 sind in der Sache weitgehend identisch. Allerdings sollte ausweislich des § 5 nunmehr ein Arbeitsverhältnis begründet werden.
Im vierten Quartal 2005 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung nach § 28 p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) für den Prüfungszeitraum 1. Januar 2001 bis 31. Oktober 2005 durch.
Sie gelangte dabei zu dem Ergebnis, dass die Reinigungskräfte - Schüler, Altersrentner oder Arbeitsuchende - als Honorarkräfte nicht versicherungs- und beitragsfrei belassen werden dürften (vgl. Protokoll der Schlussbesprechung vom 15. November 2005).
Dazu angehört, wies die Klägerin darauf hin, dass die steuerliche Betriebsprüfung keine (nicht angemeldete) lohnsteuerpflichtige Beschäftigung festgestellt habe. Die Honorarkräfte seien weder weisungsabhängig gewesen, noch in den Betrieb eingebunden. Sie hätten selbst über Einsatzzeit, Material und Arbeitskrafteinsatz entschieden.
Mit Bescheid vom 30. November 2005 forderte die Beklagte von der Klägerin insgesamt 5.406,04 Euro nach, wovon 3.075,68 Eur...