Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenärztliche Vereinigung. Honorarverteilungsvertrag ab 1.4.2005. Rechtmäßigkeit. Individualbudgetierungsregelung. Fortführung iS der Öffnungsklausel in Teil III Ziff 2.2 des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29.12.2004. Höhe des Individualbudgets vor dem 1.4.2005. Ausscheiden eines Vertragsarztes aus einer Gemeinschaftspraxis

 

Leitsatz (amtlich)

Sofern ein Vertrag über den Honorarverteilungsmaßstab ab dem 1.4.2005 noch die Bildung eines Individualbudgets vorsieht, verstößt dies gegen § 85 Abs 4 SGB 5 und die Vorgaben des Bewertungsausschusses; Individualbudgets stellen kein Steuerungsinstrument dar, das den gesetzlich vorgegebenen Regelleistungsvolumen in seinen Auswirkungen vergleichbar ist.

 

Orientierungssatz

Zur Höhe des Individualbudgets vor dem 1.4.2005 nach dem Ausscheiden eines Vertragsarztes aus einer Gemeinschaftspraxis.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Februar 2008 sowie der Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2006 aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, das Individualbudget der Klägerin für das Quartal I/05 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu festzusetzen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt war, das Honorar der Klägerin für die Zeit ab dem Quartal II/05 durch ein Individualbudget zu begrenzen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens zu ¾, die Klägerin zu ¼.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Festsetzung eines höheren Individualbudgets ab dem Quartal I/05 sowie (hilfsweise) die Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt war, ihr Honorar ab dem Quartal II/05 durch ein Individualbudget zu begrenzen.

Die Klägerin besteht als orthopädische Berufsausübungsgemeinschaft (Gemeinschaftspraxis) seit dem 1. Januar 2005 aus den Ärzten Dr. L und Dr. M S.

Dem war folgender Geschehensablauf vorausgegangen:

-

seit 1. Oktober 1993: vertragsärztliche Tätigkeit Dr. L

-

seit 2. Januar 1991: vertragsärztliche Tätigkeit Dr. S

-

1. April 1994 bis 30. September 2001: Einzelpraxis Dr. L

-

1. Oktober 2001 bis 30. Juni 2003: Gemeinschaftspraxis Dr. L / Dr. W

-

Quartal III/03: Einzelpraxis Dr. L

-

1. Oktober 2003 bis 30. Juni 2004: Gemeinschaftspraxis Dr. L / Dr. S

Nachfolger Dr. W)

-

Quartal III/04: Einzelpraxis Dr. L

-

Quartal IV/04: Gemeinschaftspraxis Dres. L / S / P. (Nachfolger Dr. S;

erstmalige Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung, bislang ohne

eigenes Individualbudget), Ausscheiden Dr. P zum 31. Dezember 2004

In der Zeit vom Quartal III/03 bis zum Quartal IV/04 setzte die Beklagte das auf die Praxis entfallende Individualbudget insgesamt wie folgt fest (jeweils unter Berücksichtigung des Gewichtungsfaktors):

Quartal

Primärkassen, Punktzahl

Ersatzkassen, Punktzahl

III/03

Einzelpraxis Dr. L,

entsprechend Widerspruchsbescheid vom

23. August 2004,

92 Prozent des Umsatzes der zuvor bestehenden Gemeinschaftspraxis,

gem. § 9 Abs. 6 Buchst. c) HVM

 1.309.794

 764.099

IV/03

Gemeinschaftspraxis   Dr. L / Dr. S

 1.613.104

 981.358

I/04

Gemeinschaftspraxis   Dr. L / Dr. S

 1.552.870

 926.413

II/04

Gemeinschaftspraxis   Dr. L / Dr. S

 1.418.732

 928.349

III/04

Einzelpraxis Dr. L,

Bescheid vom 4. Januar 2005, 100 Prozent des Individualbudgets der vormaligen Gemeinschaftspraxis im Quartal III/02

 1.423.689

 830.542

IV/04

Gemeinschaftspraxis

Dr. L / Dr. S /

Dr. P

1.828.146

(Gemäß Darstellung der Beklagten: Addition der auf Dr. L, Dr. P und Dr. S entfallenden Werte: 806.552 (L) +

806.552 (P) + 215.042 (S))

1.310.344

(Gemäß Darstellung der Beklagten Addition der auf Dr. L, Dr. P und Dr. S entfallenden Werte: 478.623 (L) +

502.735 (P) + 328.986 (S))

Mit Bescheid vom 21. Januar 2005 setzte die Beklagte für die jetzt nur noch aus den Ärzten Dr. L und Dr. S bestehende Klägerin für die Zeit ab 1. Januar 2005 ein neues Individualbudget fest. Die für die Bemessung relevanten Umsätze ermittelte die Beklagte, indem sie die Umsätze von Dr. L im Jahre 2002 (50 Prozent der Gemeinschaftspraxis L / W) mit denen von Dr. S im Jahre 2002 addierte. Als Individualbudget errechnete die Beklagte auf dieser Grundlage eine ungewichtete Punktmenge pro Quartal in Höhe von 951.294 im Primär- und von 758.674 im Ersatzkassenbereich, während die Fachgruppengrenzwerte für die Gemeinschaftspraxis 1.026.096 Punkte im Primär- und 944.546 Punkte im Ersatzkassenbereich betrugen:

2002, durchschnittliche

IB-Punkte pro Quartal,

Primärkassen

2002, durchschnittliche

IB-Punkte pro Quartal,

Ersatzkassen

Gemeinschaftspraxis

Dr. L / Dr. W

 1.502.099

 899.245

Hiervon 50 Prozent,

entfallend auf Dr. L

 751.049

 449.622

 Einzelpraxis Dr. S

 200.244

 309.052

Summe Dr. L /

Dr. S

- ungewichtet -

 951.294

 758.674

Summe Dr. L /

Dr. S

- unter Berücksichtigung des Gewichtungsfaktors -

 983.448

 762.392

Fachgruppengrenzwerte für Gemeinschaftspraxis

 1.026.096

 944.546

Zur Begründung ihres gegen den Bescheid vo...

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