Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch einer Säuglingsschwester auf Altersversorgung der Intelligenz an medizinischen Einrichtungen. Nachholung einer bewertenden Entscheidung

 

Orientierungssatz

1. Ansprüche und Anwartschaften bei einem Zusatzversorgungssystem können auch dann als durch "Zugehörigkeit" erworben angesehen werden, wenn nach der am 1.8.1991 (Inkrafttreten des AAÜG) gegebenen bundesrechtlichen Rechtslage ein "Anspruch auf Versorgungszusage" bestanden hätte (vgl BSG vom 9.4.2002 - B 4 RA 31/01 R = SozR 3-8570 § 1 Nr 2, B 4 RA 41/01 R = SozR 3-8570 § 1 Nr 6, B 4 RA 3/02 R = SozR 3-8570 § 1 Nr 7 und vom 10.4.2002 - B 4 RA 34/01 R = SozR 3-8570 § 1 Nr 3, B 4 RA 56/01 R = SozR 3-8570 § 1 Nr 4, B 4 RA 10/02 R = SozR 3-8570 § 1 Nr 5, B 4 RA 18/01 R = SozR 3-8570 § 1 Nr 8).

2. Regelungen, die eine bewertende oder eine Ermessensentscheidung eines Betriebes, Direktors, einer staatlichen Stelle der DDR etc vorsahen sind kein Bundesrecht geworden. Eine bewertende oder eine Ermessensentscheidung könnte allein aus der Sicht der DDR und nach deren Maßstäben getroffen werden. Sie darf infolge dessen mangels sachlicher, objektivierbarer, bundesrechtlich nicht nachvollziehbarer Grundlage nicht rückschauend ersetzt werden. Bundesrecht sind nur diejenigen Regelungen geworden, die als zwingende Bestimmungen gebundenen Verwaltungshandelns als abstrakt-generelle Voraussetzungen verstanden werden können (vgl BSG vom 15.6.2010 - B 5 RS 10/09 R = BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17, vom 9.4.2002 - B 4 RA 3/02 R aaO, vom 10.4.2002 - B 4 RA 18/01 R aaO und vom 9.4.2002 - B 4 RA 31/01 R aaO).

3. Bei § 3 Buchst b AVwuaIV handelt es sich nicht um eine abstrakt-generelle Regelung. Eine Einbeziehung dieses Personenkreises war nicht obligatorisch, sondern bedurfte einer individuellen Einzelentscheidung, denn jedenfalls das Merkmal “besonders qualifiziert„ setzt eine bewertende Entscheidung voraus.

4. Die im Rahmen der Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen notwendige bewertende Entscheidung bei der Prüfung des § 3 Buchst b AVwuaIV kann nicht mehr nachgeholt werden.

5. Eine in der DDR tätige Säuglingsschwester hat keinen Anspruch auf Altersversorgung der Intelligenz an medizinischen Einrichtungen.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Feststellung der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen (AVI) für die Zeit vom 01. Januar 1957 bis 30. Juni 1990 und die Berücksichtigung der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte.

Die im September 1937 geborene Klägerin ist Säuglingsschwester (Urkunde des Rates des Bezirkes Rostock vom 31. Januar 1960) mit Bestätigung der medizinischen Fachschulanerkennung auf der Grundlage der Anordnung vom 21. August 1975 (Urkunde der Medizinischen Fachschule am Städtischen Krankenhaus i vom 01. Dezember 1975).

Die Klägerin war vom 01. Januar 1957 bis 31. Dezember 1957 als Hilfsschwester (Säuglingspflegerin) an der Universitäts-Frauenklinik R tätig, bevor sie vom 01. Februar 1958 bis 31. Januar 1960 als Schwesternschülerin die Medizinische Fachschule R besuchte. Sie war vom 01. Februar 1960 bis 31. August 1961 als Säuglings- und Kinderkrankenschwester an der Universitäts-Kinderklinik R, vom 01. Oktober 1961 bis 31. August 1964 als Säuglings- und Kinderkrankenschwester am O--Krankenhaus Bund vom 01. Oktober 1964 bis wenigstens 30. Juni 1990 als Säuglings- und Kinderkrankenschwester, ab 15. Januar 1987 mit den Aufgaben einer leitenden Schwester der Patientenaufnahme an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin L des Krankenhauses L beschäftigt.

Der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) gehörte sie nicht an.

Im Juni 2010 beantragte die Klägerin, die streitige Zeit als Zeit der Zugehörigkeit zur AVI festzustellen.

Mit Bescheid vom 20. Juli 2010 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab: Weder habe eine positive Versorgungszusage (Anwartschaft) zu Zeiten der DDR vorgelegen, noch sei am 30. Juni 1990 (Schließung der Zusatzversorgungssysteme) eine Beschäftigung ausgeübt worden, die - aus bundesrechtlicher Sicht - dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen gewesen wäre. Die ausgeübte Tätigkeit als Säuglings- und Kinderkrankenschwester habe (noch) nicht zu den besonders qualifizierten Tätigkeiten im Sinne der Versorgungsordnung gezählt.

Den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, ihre Versorgungsinhaberschaft folge aus der Fachschulanerkennung mit Staatsexamensabschluss und der Berechtigung zur Führung zwei bestimmter Berufsbezeichnungen, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01. März 2...

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