Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Ermächtigung zur Erbringung vertragsärztlicher Leistungen an einem weiteren Ort außerhalb des Vertragsarztsitzes
Orientierungssatz
Ein Anspruch auf Ermächtigung zur Erbringung von vertragsärztlichen Leistungen an einem weiteren Ort außerhalb des Vertragsarztsitzes nach § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV setzt eine damit verbundene Verbesserung der Versorgung an dem weiteren Ort voraus. Diese ist unter drei alternativen Voraussetzungen denkbar, vgl. BSG, Urteile vom 28. Oktober 2009 - B 6 KA 42/08 R und vom 09. Februar 2011 - B 6 KA 49/09 R:
1.1. Im Fall einer bestehenden Unterversorgung am weiteren Ort liegt eine Verbesserung durch die Eröffnung einer Zweigpraxis vor.
1.2. Als weiterer Fall kommt unter bestimmten Umständen eine Verbesserung der quantitativen vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten an dem weiteren Ort in Betracht. Hierzu gehört eine Reduktion von vorhandenen Wartezeiten und das Angebot von Abend- und Wochenendsprechzeiten.
1.3. Der praxisrelevanteste Fall einer Versorgungsverbesserung liegt in einer qualitativen Verbesserung. Eine solche kann bestehen im Angebot eines differenzierteren Leistungsspektrums oder im Angebot einer besonderen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode. Dabei ist entscheidend, ob die Anwesenheitszeit am Ort der Zweigpraxis eine kontinuierliche Versorgung zulässt, soweit das ärztliche Fachgebiet des Vertragsarztes eine solche erfordert.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 15. September 2010 und der Beschluss des Beklagten vom 12. Mai 2009 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, über den Widerspruch der Klägerin gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg vom 17. September 2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Der Beklagte hat die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Ermächtigung zur Erbringung von vertragsärztlichen Leistungen an einem weiteren Ort außerhalb ihres Vertragsarztsitzes (Zweigpraxis).
Die Klägerin ist seit dem 01. April 2002 als Fachärztin für Augenheilkunde zugelassen. Ihr Vertragsarztsitz ist in J im Planungsbereich W (Sachsen-Anhalt).
Am 12. Februar 2007 beantragte sie bei dem Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg die Genehmigung einer vertragsärztlichen Tätigkeit an einem weiteren Ort, in B L, im Planungsbereich E-E (Brandenburg). Als vorgesehene Sprechstunde in der Zweigpraxis gab sie Montagnachmittag von 16:00 Uhr bis 19:00 Uhr und mittwochs von 10:00 Uhr bis 16:00 Uhr an.
Der Zulassungsausschuss bei der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt teilte mit Schreiben vom 28. März 2007 mit, dass die Klägerin mit einer Fallzahl von knapp 1000 Fällen pro Quartal die durchschnittliche Fallzahl der Augenärzte (durchschnittliche Fälle pro Augenarzt) noch nicht erreicht habe. Seiner Ansicht könne daher durch eine Steigerung der Fallzahlen eine Verbesserung der Versorgungssituation am Ort der Niederlassung erfolgen. Eine positive Stellungnahme zu dem Antrag der Klägerin könne er deshalb nicht abgeben.
Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt teilte mit Schreiben vom 30. Mai 2007 mit, dass bei einer Genehmigung der Nebenbetriebsstätte für die Klägerin in B L Patienten aus W zwangsläufig eine vorhandene Ausweichmöglichkeit in J genommen würde. Sie könne deshalb ebenfalls eine positive Stellungnahme zu dem Antrag der Klägerin nicht abgeben.
Mit Schreiben vom 28. August 2007 modifizierte die Klägerin daraufhin ihren Antrag dahingehend, dass sie nunmehr noch eine Ermächtigung für eine Tätigkeit in einem Umfang von 4 Stunden am Mittwochnachmittag begehre.
Der Zulassungsausschuss bei der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt und die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt teilten daraufhin mit Schreiben vom 11. Oktober 2007 und 10. Oktober 2007 mit, dass sie nach nochmaliger eingehender Beratung nunmehr der Auffassung seien, dass die Ermächtigung für eine Nebenbetriebsstätte in B L genehmigt werden sollte. Der entsprechende Beschluss sollte allerdings die Nebenbestimmungen enthalten, dass die Sprechstunden am Vertragsarztsitz nicht weniger als 20 Stunden in der Woche betragen dürften und dass die Vertragsarzttätigkeit in der Zweigpraxis auf 4 Stunden an einem Tag in der Woche begrenzt werde.
Die Beigeladene teilte mit Schreiben vom 30. November 2007 mit, dass im Planungsbereich E-E derzeit 5 Augenärzte niedergelassen seien. Eine weitere Zulassung für den Ort B L werde am 26. September 2007 zum 01. Juli 2008 ausgesprochen. Hier werde der seit Juni 2006 unbesetzte Praxis-Sitz weitergeführt. Aufgrund der erteilten Zulassung werde der Planungsbereich erneut für Zulassungen von Fachärzten für Augenheilkunde gesperrt. Die Versorgung der Bevölkerung im Planungsbereich mit augenärztlichen Leistungen sei daher ausreichend gewährleis...