Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Kostensenkungsverfahren. Doppelmietzahlungen durch Umzug. Dauer der Berücksichtigung der Überschneidungskosten und Begrenzung auf die angemessenen Unterkunftskosten. Aufklärungspflichten des Grundsicherungsträgers. örtliche Zuständigkeit
Orientierungssatz
1. Umzugsbedingt anfallende Doppelmieten stellen keine Wohnungsbeschaffungskosten, sondern Kosten der Unterkunft iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 dar, die im Rahmen ihrer Angemessenheit bedarfserhöhend zu berücksichtigen sind. Die Dauer, für die Überschneidungskosten zu berücksichtigen sind, richtet sich nach dem Einzelfall. Überschneidungskosten sind jedenfalls dann als subjektiv nicht vermeidbare Kosten bedarfserhöhend zu berücksichtigen, wenn ein Grundsicherungsträger im Kostensenkungsverfahren auf einen rechtzeitig gestellten Antrag des Leistungsberechtigten, die Übernahme von Überschneidungskosten zuzusichern, nicht reagiert.
2. Für die Übernahme der in der Umzugssituation für die ursprünglich bewohnte Wohnung noch anfallenden Kosten ist unabhängig vom ständigen Aufenthalt des Hilfebedürftigen derjenige Grundsicherungsträger zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich die Wohnung liegt.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. März 2011 wird abgeändert.
Der Beklagte wird unter Abänderung seines Aufhebungsbescheides vom 19. Mai 2008 und unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2008 verpflichtet, den Klägern für die Monate Juli und August 2008 Leistungen unter Anerkennung eines weitergehenden Bedarfs der Kläger sowie des Ehemannes der Klägerin zu 1) in Höhe von je 141,00 € pro Person und Monat zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat den Klägern ihre außergerichtlichen Kosten für das gesamte Verfahren zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Übernahme von umzugsbedingt angefallenen Doppelmieten ("Überschneidungskosten") für die Monate Juli und August 2008.
Die 1973 geborene Klägerin zu 1) bezog seit Januar 2005 gemeinsam mit ihren im 1995 und 1997 geborenen Söhnen, den Klägern zu 2) und 3), Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Ende November 2005 kehrte ihr zuvor inhaftierter, 1947 geborener Ehemann in den Familienhaushalt zurück. Im November 2006 wurde schließlich ihre Tochter, die Klägerin zu 4), geboren und gehörte von da an ebenfalls der Bedarfsgemeinschaft an.
Seit Juni 1996 bewohnte die Klägerin zu 1) mit ihrer Familie im ERing in B eine 97 m² große Wohnung, für die im Jahr 2007 eine Gesamtmiete in Höhe von ca. 860,00 € monatlich zu zahlen war. Diesen Betrag sowie etwaige zuvor leicht abweichende Kosten setzte der Beklagte bei der Leistungsberechnung von Anfang an nicht an, sondern berücksichtigte lediglich die von ihm als angemessen angesehenen Kosten, im Jahr 2007 in Höhe von 705,00 €.
Ausweislich des Mietvertrages über die vorgenannte Wohnung konnte das Mietverhältnis durch den Mieter bis zum dritten Werktag eines Kalendermonats für den Ablauf des übernächsten Kalendermonats schriftlich gekündigt werden (§ 4 Abs. 2 Satz 1).
Im April 2007 beantragte die Klägerin zu1) erstmals eine Zusicherung für die Übernahme verschiedener - im Zusammenhang mit einem nach B geplanten Umzug stehender - Kosten. Die Erteilung der Zusicherung wurde im Hinblick auf die nicht angemessenen Kosten der neuen Wohnung abgelehnt. Auch nachdem sich die Klägerin zu 1) mit dem Vermieter der bereits ab dem 01. Juli 2007 angemieteten Wohnung auf eine Reduzierung der Miete geeinigt hatte, kam es letztlich nicht zu einem Umzug. In der Folgezeit begehrte die Familie unter Berufung insbesondere auf den Gesundheitszustand des Ehemannes der Klägerin zu 1), bei dem ein Grad der Behinderung von 80 und das Merkzeichen G anerkannt sind, sowie die von ihnen benötigte Anzahl von Räumen für drei Kinder erfolglos die Übernahme der tatsächlich anfallenden Unterkunfts- und Heizungskosten.
Nachdem die Miete für ihre Wohnung im --Ring in B zum 01. Januar 2008 schließlich auf monatlich insgesamt 891,18 € geändert worden war (Grundmiete 607,33 €, sonstige Miete 37,85 €, Vorauszahlungen für Betriebskosten 156,00 € und für Heizkosten 90,00 €), kündigten die Klägerin zu 1) und ihr Ehemann dem Beklagten Anfang Januar 2008 an, in eine preiswertere Wohnung innerhalb B umziehen zu wollen, und baten um Informationen zu der einzuhaltenden Vorgehensweise ("Erst Wohnung anmieten, dann Meldung bei Ihnen? Auch wegen der Umzugskosten wie Renovierung, doppelter Miete in Kündigungsfrist, Mietkaution usw.? Welche Anträge müssen wir wann stellen?"). Unter dem 14. Januar 2008 übersandte der Beklagte daraufhin eine Broschüre über die im Zusammenhang mit einem Umzug auftretenden Fragen und bat um Terminsvereinbarung, sofern weitere Fragen bestehen sollten. In dieser Broschüre heißt es mit Blick auf Doppelmieten unter dem Punkt "Wer trägt die Ko...