Entscheidungsstichwort (Thema)
Für Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II konkretes Wohnungsangebot erforderlich, nicht aber für die nach § 22 Abs. 2a SGB IIZusicherungserfordernis nach § 22 Abs. 2a SGB II für nicht im Leistungsbezug stehende junge Erwachsene?schwerwiegende soziale Gründe
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 02. Dezember 2005 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten, ihr die Übernahme der Miete für eine eigene Wohnung zuzusichern.
Die 1985 geborene Klägerin bewohnt gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem im September 1989 geborenen Bruder die sich aus dem Rubrum ergebende Wohnung. Es handelt sich hierbei um eine 2,5-Zimmer-Wohnung, die sich über 75,05 m² erstreckt. Für die Zeit vom 04. April 2005 bis zum 30. September 2006 gewährte der Beklagte ihr Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II).
Am 21. Juni 2005 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Übernahme der Kosten für eine eigene Wohnung und legte ein Angebot über eine 46,36 m² große 1,5-Zimmer-Wohnung im W Weg in B vor. Zur Begründung gab sie an, dass ein Umzug in eine eigene Wohnung aufgrund ständiger Streitigkeiten zu Hause notwendig sei. Außerdem müsse sie in der Wohnung ihrer Mutter in einem viel zu kleinen Zimmer leben. Nachdem der Beklagte noch am selben Tage die Erteilung einer Mietzusicherung mündlich abgelehnt hatte, hat die Klägerin am 06. Juli 2005 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben. Hier hat sie zur Begründung angegeben, dass sie in sehr engen Verhältnissen lebe, die es ihr nicht ermöglichten, “Freunde einzuladen oder ähnliches„. Auch habe sie oft Streit mit ihrer Mutter. Im Übrigen sei sie auch kein Kind mehr; sie wolle ihr eigenes Leben führen und den Unfrieden in ihrer Familie beenden.
Ferner hat die Klägerin im Sommer 2005 den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Ein von ihr im Laufe der gerichtlichen Verfahren verfasstes Schreiben vom 21. Juli 2005 hat der Beklagte als Widerspruch gegen die mündliche Ablehnung der Abgabe einer Zusicherung gewertet, den er mit Widerspruchsbescheid vom 02. August 2005 zurückgewiesen hat. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass ein Umzug nicht erforderlich sei. Die von der Klägerin geltend gemachten ständigen Streitereien machten das Anmieten einer eigenen Wohnung nicht notwendig. Es sei nicht ersichtlich, dass diese Streitereien in gewalttätige Auseinandersetzungen oder in ähnliche nicht mehr hinnehmbare Zustände ausgeufert seien. Auch könne nicht von unzumutbar beengten Wohnverhältnissen ausgegangen werden. Eindeutig beengter Wohnraum liege bei drei Personen nur bei zwei Räumen und 50 m² vor.
Das Sozialgericht Berlin hat den Beklagten mit Beschluss vom 10. August 2005 vorläufig verpflichtet, der Klägerin die begehrte Zusicherung zu erteilen. Der Senat hat diesen Beschluss am 06. Oktober 2005 (L 5 B 1121/05 AS ER) unter Hinweis darauf, dass er erhebliche Zweifel am Vorliegen eines Anordnungsanspruchs habe, jedenfalls aber kein Anordnungsgrund bestehe, aufgehoben.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 02. Dezember 2005 hat das Sozialgericht Berlin die Mutter der Klägerin, M P, sowie die Freundin der Klägerin, J I, als Zeugen vernommen. Auf ihre jeweiligen Angaben wird verwiesen. Sodann hat es den Beklagten mit Urteil vom selben Tage unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, der Klägerin eine Zusicherung für die Mietkostenübernahme für die Wohnung im W Weg in B zu geben. Zur Begründung, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beklagte jedenfalls unter Berücksichtigung von § 33 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) den Wunsch der Klägerin nach einer eigenen Wohnung zu respektieren habe. Die Familiensituation sei durch innere Spannungen, vor allem wegen der Arbeitslosigkeit der Klägerin, nachhaltig gestört. Die Klägerin sei Kränkungen und Zurücksetzungen ausgesetzt. Dies stelle sich als psychische Gewalt dar. Wenn schon nicht von Erforderlichkeit gesprochen werden könne, könne jedenfalls bei Ausübung sachgerechten Ermessens nur zugunsten der Klägerin entschieden werden (Ermessensreduktion auf Null).
Gegen dieses dem Beklagten am 19. Dezember 2005 zugestellte Urteil richtet sich seine am 10. Januar 2006 eingelegte Berufung. Er meint, dass entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Berlin die Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II nicht über § 33 SGB I dahin ausgehebelt werden könnten, dass es nur noch auf die Wünsche der Betroffenen ankomme. Die von den Zeuginnen in der Verhandlung geschilderte häusliche Situation sei weit davon entfernt, solch ein Gewicht zu haben, dass ein Auszug letztlich auf Kosten der Allgemeinheit erforderlich sei. Die geschilderten Spannungen seien marginal; von psychischer Gewalt könne keine Rede sein. Im Übrigen stehe die Klägerin aktu...