Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung für selbstbeschaffte Leistung. Gruppen-Intervall-Therapie nach van Riper
Leitsatz (amtlich)
1. Versicherte haben keinen Anspruch auf Kostenerstattung einer selbstbeschafften Sprachheilbehandlung, wenn diese von einem nicht zugelassenen Leistungserbringer abgegeben worden ist.
2. Bei der Gruppen-Intervall-Therapie nach van Riper handelt es sich um keine verordnungsfähige Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Krankenkasse verpflichtet ist, der Klägerin die Kosten für eine spezielle Sprachheilbehandlung (Gruppen-Intervall-Therapie nach van Riper) zu erstatten.
Die 1968 geborene Klägerin, die über ihre Mutter bei der Beklagten krankenversichert war, leidet seit ihrem 4. Lebensjahr an schwerem chronischen Stottern mit vorwiegend tonischer Symptomatik, Anstrengungsreaktionen beim Sprechen, Wortängsten, Furcht vor alltäglichen Sprechsituationen und sprachlichem Vermeideverhalten. Im Alter von 7 Jahren wurde ihr Leiden im Rahmen einer Spieltherapie behandelt, zwischen dem 8. und dem 10. Lebensjahr besuchte sie eine Sprachheilschule und mit 19 Jahren nahm sie an einer siebenwöchigen Intensivtherapie in der Charite im Rahmen einer neuropsychiatrisch-psychologisch-sprachheilpädagogischen Behandlung teil (Befundberichte der Phoniatrischen Abteilung des Universitäts-Krankenhauses E vom 23. Februar 1993 und der Humboldt-Universität zu Berlin - Fachbereich Rehabilitationswissenschaften - Prof. Dr. M, vom 15. November 1993). Nach den durch den Befundbericht Prof. Dr. M bestätigten Angaben der Klägerin führte nur die zuletzt genannte Behandlung zu einer Verbesserung der Gesamtsymptomatik, die jedoch nur einige Monate anhielt. Die danach fortgesetzte lockere Betreuung der Klägerin in der Charite konnte im Hinblick auf das Auslandsstudium der Klägerin nicht kontinuierlich weitergeführt werden.
Ende 1992 entschloß sich die Klägerin, an einer vom Verein zur Förderung des Sprachheilwesens e.V. (im folgenden: Verein) in A durchgeführten speziellen Sprachheilbehandlung (Gruppen-Intervall-Therapie nach van Riper) teilzunehmen, die von dem Logopäden S und als leitendem Therapeuten dem als Sprachtherapeuten gemäß § 124 Abs. 5 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches -SGB V- zugelassenen Dipl. Pädagogen (Schwerpunktfach Sprachbehindertenpädagogik) K durchgeführt wurde. Der Verein und der Logopäde S sind nicht als Sprachtherapeuten gemäß § 124 Abs. 5 SGB V zugelassen. Die Klägerin bewarb sich im November 1992 um einen Platz in der für das Jahr 1993 vorgesehenen Therapiegruppe des Vereins. Mit Schreiben vom 17. Dezember 1991 (gemeint ist 1992) teilte ihr der Logopäde S für den Verein mit, daß sie einen Platz in der gewünschten Therapiegruppe erhalten habe. Die Sprachtherapie finde in vier Therapieeinheiten von jeweils fünf Tagen vom 28. Februar bis zum 5. März, vom 28. April bis zum 23. April, vom 20. Juni bis zum 25. Juni und vom 29. August bis zum 3. September 1993 statt. Außerdem sei ein verbindliches zweitägiges Therapiewochenende vorgesehen. Die Kosten für die Therapiewochen betrügen 750,-- DM je Therapiewoche und 375,-- DM je Therapiewochenende zu zwei Tagen. Die Teilnehmer müßten sich verpflichten, an allen Therapiewochen und an einem Therapiewochenende (zwei Tage) teilzunehmen. Zu den genannten Kosten kämen noch die Kosten für Unterkunft und Verpflegung (z.Zt. DM 67,-- pro Tag) und die Reisekosten hinzu.
Nach dem Ende der ersten Therapieeinheit im März 1993 beantragte die Klägerin über ihre Mutter bei der Beklagten formlos die Übernahme der Therapiekosten für die Sprachheilbehandlung bei dem Verein unter Vorlage des Schreibens des Logopäden S vom 17. Dezember 1992 und einer "Fachärztlichen Bescheinigung für die Krankenkasse" des wissenschaftlichen Assistenten W der Phoniatrischen Abteilung des Universitäts-Krankenhauses E vom 17. Februar 1993. Darin wird eine Diagnose der Erkrankung der Klägerin mitgeteilt sowie festgestellt, daß eine Gruppen-Intervall-Therapie nach van Riper für die Klägerin "unbedingt erforderlich" sei. Diese Therapie werde derzeit nur durch den Logopäden S in H durchgeführt. Eine weitere Therapieeinrichtung dieser Art sei dem wissenschaftlichen Assistenten W in Deutschland nicht bekannt.
Die Beklagte wandte sich daraufhin mit der Bitte um Prüfung an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Thüringen -MDK-, ob eine Kostenübernahme der gewünschten Therapie befürwortet werden könne. In ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 6. April 1993 kam die Internistin Dr. K zu dem Ergebnis, daß eine Übernahme der Behandlungskosten in diesem Fall befürwortet werde. Die Klägerin habe inzwischen ihr Architekturstudium mit dem Diplom abgeschlossen. Mit Einstieg in das Berufsleben sollte alles versucht werden, die Sprechangst abzubauen und das Krankheitsgeschehen zu verbessern. Die Durchführung des van-Riper-Programms als Intensivtherapie stelle eine geeignete Behandlungsmethode dar, die in den neuen...