Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit. bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule. arbeitstechnische Voraussetzung. zusammenwirkende Expositionen. unmögliche Trennung der Gefährdungszeiträume und Schadensbilder. Zusammenrechnung der Gefährdungszeiträume. eine Verletztenteilrente. einheitlicher MdE-Wert. Kohlenausträger. Kraftfahrer
Orientierungssatz
1. Zur Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule eines Kohlenausträgers und Kraftfahrers, der während seines Berufslebens in unterschiedlichen Zeiträumen und im unterschiedlichem Maße sowohl Wirbelsäulenbelastungen nach BKVO Anl 1 Nr 2108 als auch nach BKVO Anl 1 Nr 2110 ausgesetzt war, als Berufskrankheit.
2. Ist eine Klärung, durch welche der beruflichen Belastungen welcher Anteil an der nach der endgültigen Tätigkeitsaufgabe bestehenden bandscheibenbedingten LWS-Schädigung des Versicherten verursacht wurde, nicht möglich, ist davon auszugehen, dass beide Berufskrankheitentatbestände nebeneinander erfüllt sind.
3. Ist eine Trennung der Schäden im Bereich der Lendenwirbelsäule in solche, die durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten nach BKVO Anl 1 Nr 2108 und diejenigen, die durch vertikale Ganzkörperschwingungen iS der BKVO Anl 1 Nr 2110 verursacht worden sind, nicht möglich, so ist eine Verletztenteilrente wegen der Folgen beider die Lendenwirbelsäule betreffender Berufskrankheiten zu gewähren.
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung einer Verletztenteilrente wegen der Folgen einer Berufskrankheit nach Nrn. 2108 und 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der 1940 geborene Kläger arbeitete von 1954 bis 1958 als Bauarbeiter, von 1958 bis 1962 als Bergmann und war schließlich seit 1962 bis Juli 1990 im Kohlenhandel als Kraftfahrer mit Abtragetätigkeit in unterschiedlichen Mitgliedsunternehmen der Beigeladenen beschäftigt. Bis 1988 bestand seine Tätigkeit im Beitrittsgebiet überwiegend im Be- und Entladen von Kohle sowie deren Auslieferung. Dabei wurden vor allem mit 75 kg Kohle gefüllte Holzkästen mit Hilfe eines Tragegurtes getragen. Der Gurt wurde nach Angaben des Klägers über die linke Schulter gezogen und vor der Brust mit der linken Hand gehalten, während die rechte Hand am Rücken die untere Seite des Kastens hielt, beim Tragen war der Oberkörper nach vorn gebeugt. Es wurde eine Gesamtlast von 5 Tonnen (t) täglich gehoben und getragen. Die tägliche Lenkzeit betrug bis April 1988 eine Stunde. Ab Mai 1988 wurde der Kläger im Hinblick auf seine Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) nur noch als Kraftfahrer mit einer täglichen Lenkzeit von 6 bis 8 Stunden eingesetzt. Vom 1. Juli 1990 bis 31. August 1992 war der Kläger als Kraftfahrer und seit 1992 als Bauhelfer bei Mitgliedsunternehmen der Beklagten beschäftigt.
Durch Berufskrankheitenanzeige vom 6. Dezember 1996 äußerte die AOK Berlin den Verdacht, dass es sich bei der Lumboischialgie, derentwegen der Kläger seit 17. Oktober 1996 arbeitsunfähig krankgeschrieben war, um eine Berufskrankheit nach Nrn. 2108, 2109 bzw. 2110 der Anlage 1 zur BKV handele. Die Beklagte nahm ein Vorerkrankungsverzeichnis vom 22. Mai 1997 zur Akte und holte einen Befundbericht der Dres. H vom 28. Juli 1997 ein, dem Röntgenbefunde aus der Zeit von 1984 bis 1996 beigefügt waren. In einem Fragebogen gab der Kläger an, seit 1969 an Rückenschmerzen und Schmerzen im LW-Bereich zu leiden. Die Beklagte zog daraufhin die Sozialversicherungsausweise des Klägers bei. Der Chirurg Dr. B vertrat in seiner Stellungnahme vom 7. Dezember 1997 die Auffassung, die Röntgenaufnahmen zeigten erheblich generalisierte degenerative Veränderungen der gesamten Wirbelsäule in allen Segmenten, die ursächlich auf eine Fehlhaltung im Sinne einer linkskonvexen Seitausbiegung der Halswirbelsäule (HWS) und LWS sowie einer rechtskonvexen Seitausbiegung der Brustwirbelsäule (BWS) und damit zweifelsfrei auf eine anlagebedingte Veränderung aus körpereigener Ursache zurückzuführen seien, so dass das Vorliegen einer Berufskrankheit ausgeschlossen werden könne. Nach Stellungnahme des Gewerbearztes Dr. S vom 22. Januar 1998 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 10. März 1998 fest, dass die Berufskrankheiten Nrn. 2108, 2109 und 2110 nicht vorlägen, weil ein berufskrankheitenspezifisches Schadensbild nicht habe nachgewiesen werden können. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 15. September 1998).
Zur Unterstützung seiner hiergegen gerichteten Klage reichte der Kläger ein Attest des Orthopäden S vom 8. Oktober 1998 ein, der der Bewertung Dr. B widersprach und ausführte, die degenerativen Veränderungen mit deutlichen Kantenausziehungen lateral und ventral sowie stark spondylarthrotisch veränderten Wirbelsegmenten im Bereich der unteren BWS und bei L 2/3 sowie L 5/S 1 seien typisch für starke komprimierende Belastungen in den oberen Wirbelsäulenabschnitten und starke A...