Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenarztrecht. Anwendbarkeit der §§ 44ff SGB 10. Vorliegen eines Notfalls. Erste-Hilfe-Stelle Dokumentationspflicht. Vertrauenstatbestand. Rücknahmefrist. Rückforderung. Vergütung bzw Honorar

 

Orientierungssatz

1. Die §§ 44ff SGB 10 sind im Kassenarztrecht anwendbar, da offenkundig ist, daß in den Gebieten des Sozialgesetzbuches, für die die Sozialgerichtsbarkeit zuständig ist, Behörden zum Erlaß von Verwaltungsakten berechtigt sind, auch soweit keine Sozialleistungen im Streit sind (entgegen BSG vom 16.1.1991 - 6 RKa 10/90 = BSGE 68, 97).

2. Ein Notfall liegt dann vor, wenn ein Kassenarzt wegen Gefahr im Verzuge in der gebotenen Eile nicht herbeigerufen oder aufgesucht werden kann (vgl BSG vom 31.7.1963 - 3 RK 92/59 = BSGE 19, 270, 272).

3. Sucht ein Versicherter eine Erste-Hilfe-Stelle in der Annahme auf, es läge ein Notfall vor, und hat ein dort tätiger Arzt Grund, ebenfalls einen Notfall anzunehmen, so ist für erbrachte Leistungen eine Vergütung zu zahlen.

Vertritt jedoch das Krankenhaus den Standpunkt, daß der Arzt auf der Erste-Hilfe-Stelle jeden Patienten untersuchen muß, um eine Strafverfolgung zu vermeiden, so geht dieser Standpunkt zu weit.

4. Ergibt sich nicht bereits aus der Art der Erkrankungen, zB nach einem Unfall, oder aus anderen Umständen, daß ein Notfall vorliegt, ist der Arzt verpflichtet, die Befunde zu dokumentieren, die ihn veranlassen, einen Notfall anzunehmen. Andernfalls hat das Krankenhaus die Folgen zu tragen, wenn sich ein Notfall nicht feststellen läßt.

5. Die Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung werden im Rahmen vielfältiger Rechtsbeziehungen ausgeführt; insbesondere haben die Krankenkassen, die die Geldmittel der Versichertengemeinschaft verwalten, Kontrollbefugnisse. Deren Belange würden nicht ausreichend gewahrt werden, wenn allein durch die Überwachung der vereinbarten Vergütung ein Vertrauenstatbestand geschaffen würde, der einen Erstattungsanspruch wegen rechtsgrundloser Leistung von vorneherein ausschließt.

6. Die Fristbestimmung des § 45 Abs 4 2 SGB 10 ist auch bei Rückforderung von Honoraren für Erste-Hilfe-Behandlungen zu beachten.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 01.02.1995; Aktenzeichen 6 RKa 9/94)

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1667286

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