nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung. Arbeitsunfall. Wegeunfall. Beweisgrad. Vollbeweis. Zeuge vom Hörensagen. Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen
Leitsatz (redaktionell)
Auch Zeugenaussagen sog. Zeugen vom Hörensagen sind im Rahmen der Gesamtbewertung der Ermittlungsergebnisse zu würdigen
Normenkette
SGB VII § 8 Abs. 1, 2 Nr. 1, §§ 2-3, 6
Verfahrensgang
SG Berlin (Entscheidung vom 11.01.2002; Aktenzeichen S 69 U 857/99) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Januar 2002 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Unfalles als Arbeitsunfall. Streitig ist insbesondere, ob die Klägerin bei dem Unfallgeschehen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.
Die bei der Beklagten gegen Unfall versicherte Klägerin betrieb als Selbständige die Gaststätte "H" in Berlin-M. Seit dem 5. Oktober 1998 war sie nach ihren Angaben arbeitsunfähig erkrankt gewesen.
Am 23. Dezember 1998 wurde die Klägerin durch einen Rettungstransportwagen der Berliner Feuerwehr, die nach Angaben in einem Einsatzbogen um 0.50 Uhr alarmiert worden war, in das Krankenhaus L eingeliefert. In einem durch den Arzt im Praktikum R. Perstellten Bericht der Ersten Hilfe dieses Krankenhauses ist zu Unfallhergang bzw. Vorgeschichte vermerkt: " Ort: zu Hause Tag: 23.12. ca. 0.15, über Balkontürschwelle gestolpert, gestürzt und dabei das linke Kniegelenk verdreht". Mit der Diagnose einer Tibiaplateaufraktur links wurde die Klägerin sodann zur stationären Aufnahme weitergeleitet. In einem von Dr. F erstellten Durchgangsarztbericht vom 15. Januar 1999 gab dieser an, der Unfall habe sich nach den primären Angaben der Klägerin zu Hause ereignet. In dem Bericht findet sich außerdem ein Vermerk folgenden Inhalts:
"Bei nochmaliger Befragung am 18.1.99 aufgrund Ihres Schreibens vom 4.1.99 gibt die Versicherte an, daß sie in Ihrer Wohnung war und der Koch aus der Gaststätte anrief, daß er keinen Schlüssel zum Abschließen habe. Sie habe daraufhin Wohnung und Haus verlassen, um mit der Straßenbahn zur Gaststätte zu fahren und sei auf der Treppe vor ihrem Haus, R-S- Str. 24, gestolpert und gestürzt. Da uns diese Angaben bei der Erstvorstellung hier nicht mitgeteilt wurden, erfolgte keine Erstellung eines D 13-Berichtes, da aus unserer Sicht kein Arbeitsunfall vorlag."
Der Vorgang wurde seitens der Beklagten neu aufgenommen durch einen handschriftlichen Vermerk ihres Mitarbeiters S, dem nicht zu entnehmen ist, wann und von wem der Unfall - wie er in dem Vermerk aufgenommen wurde - angezeigt worden ist. Die Klägerin beschrieb in einem Anhang zu ihrer Unfallanzeige vom 8. Januar 1999 den Unfallhergang wie folgt: Sie sei am 22. Dezember 1998, gegen 23.30 Uhr, von dem in ihrer Gaststätte angestellten Koch, Herrn D P, angerufen worden, der mitgeteilt hätte, dass er den Schlüssel für das Restaurant vergessen hätte und dieses nicht abschließen könne. Da sie weder ihren Ehemann, der die Gaststätte aufgeschlossen habe, noch ihren Sohn habe erreichen können, habe sie sich mit der Straßenbahn zur Gaststätte begeben wollen, um diese abzuschließen. Sie habe ihren Mantel vom Balkon geholt und gegen 0.10 Uhr ihr Wohnhaus verlassen. Einige Schritte von ihrer Haustür entfernt vor dem Haus. sei sie gestolpert und hingefallen; dabei habe sie sich die Knieverletzung zugezogen. Dort habe sie ihr Sohn A T. aufgefunden, der sie hätte besuchen wollen. Er habe ihr geholfen, in ihre Wohnung zu kommen. Gegen 1.00 Uhr sei ihr Mann nach Hause gekommen; dieser habe einen Krankentransport gerufen, der sie gegen 1.20 Uhr in das Krankenhaus L eingeliefert habe.
Durch Bescheid vom 9. Februar 1999 lehnte es die Beklagte ab, das Ereignis vom 23. Dezember 1998 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Die Klägerin habe bei ihrer Einlieferung in das Krankenhaus Langegeben, in ihrer Wohnung über eine Balkonschwelle gestolpert zu sein. Der Unfall habe sich damit im häuslichen Wirkungskreis der Klägerin ereignet; derartige Unfälle seien nicht nach § 8 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) versichert.
Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, dass die Angaben im Aufnahmebericht des Krankenhauses L auf einem Missverständnis beruhten. Möglicherweise habe sie sich mißverständlich ausgedrückt, möglicherweise habe der aufnehmende Arzt sie falsch verstanden. Sie hätte unter Schock gestanden und erhebliche Schmerzen gehabt. Da vor dem Unfall ihr rechtes Knie bereits in Behandlung gewesen und ihr "Sorgenkind" gewesen sei, hätte sie den Arzt darauf hingewiesen, sich das rechte Knie verdreht zu haben, als sie in der Wohnung über eine Balkontürschwelle gestolpert sei. Auf diesen Umstand hätte sie lediglich aufmerksam machen wollen. Warum der behandelnde Arzt dann aufgenommen hätte, dass das linke Kniegelenk verdreht sei, sei nicht mehr aufklärbar...