Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschädigtenvorsorgung. Entscheidung nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften. Bindungswirkung

 

Orientierungssatz

Die Rechtsverbindlichkeit einer Entscheidung nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften betrifft nur den ursächlichen Zusammenhang der Gesundheitsstörung mit der Schädigung im Sinne von § 1 BVG, also den sogenannten medizinischen Zusammenhang. Eine Verpflichtung nach § 85 BVG, eine nach früheren Vorschriften anerkannte Gesundheitsstörung nach dem BVG anzuerkennen besteht nicht, wenn die Gesundheitsstörung inzwischen abgeklungen ist.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung einer Beschädigtenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Der 1917 geborene, im Beitrittsgebiet lebende Kläger stellte am 20. Januar 1992 einen Antrag auf Versorgung und gab an, vom 1. Dezember 1939 bis 19. Juli 1943 Kriegsdienst in der Deutschen Wehrmacht geleistet zu haben und am 20. Juli 1943 in russische Kriegsgefangenschaft geraten zu sein, aus der er am 9. September 1945 entlassen worden sei. Auf Grund von Granatsplitterverletzungen der Beine im Afrikafeldzug und Unterernährung während der russischen Kriegsgefangenschaft seien ein Sehnervenschwund, Durchblutungsstörungen, ein chronischer Darmkatarrh, ein organisches Nervenleiden, Lungen-Tbc, Ödeme, Amöbenruhr, Hypotonie und ein Morbus Bechterew aufgetreten. Er legte eine Bescheinigung vom 30. Juli 1946 und einen Bescheid der Versicherungsanstalt Berlin (VAB) vom 7. Juni 1951 vor, in dem ihm auf Grund des § 1 der Verordnung vom 22. Februar 1950 über Leistungen an Kriegsbeschädigte und deren Hinterbliebene vom 1. Januar 1950 an Rente nach einem Grad der Gesundheitsschädigung von 100 v.H. wegen "Sehnervenleiden, Zustand nach chronischem Darmkatarrh (Amöbenruhr), hochgradige Körperschwäche, hervorgerufen durch Einflüsse des Kriegsdienstes und der Kriegsgefangenschaft 1942 -- 1945", zuerkannt worden war.

Aus den vom Kläger eingereichten Röntgenbefunden des Dr. K vom 3. und 11. Juli 1950 ergab sich das Vorliegen einer gemischtförmigen Tuberkulose der Spitzen- und Infraclavicularfelder, links intensiver als rechts. In der ärztlichen Bescheinigung des Dr. P vom 24. Januar 1952 wurde der Verdacht auf einen beginnenden Morbus Bechterew, der mit Ultraschall sehr erfolgreich behandelt worden sei, geäußert; die Lungenaufnahme zeigte eine produktive, inaktive Lungentuberkulose. Dr. H bescheinigte am 14. Februar 1952 eine doppelseitige Oberlappen-Tbc. Die Untersuchung durch Dr. S vom 8. Januar 1975 hatte ergeben, dass die Beschwerden der Beine wahrscheinlich auf venöse Durchblutungsstörungen zurückzuführen waren, da ein Anhalt für organische arterielle Durchblutungsstörungen der Beine nicht bestand.

Der Beklagte zog die Unterlagen des Krankenbuchlagers B und die Krankenakte nebst Röntgenaufnahmen des Bezirksamtes F, Tbc-Beratungsstelle bei und holte einen Befundbericht der den Kläger seit 1977 behandelnden Augenärztin Dr. S vom 13. Mai 1993 ein. Anschließend veranlasste der Beklagte eine Mehrfachbegutachtung des Klägers. Die Augenärztin W fand bei der ambulanten Untersuchung vom 6. Mai 1993 eine beidseitige mäßige als Altersveränderung zu bezeichnende Linsentrübung bei altersentsprechend unauffälligen Befunden der vorderen und mittleren Augenabschnitte sowie Weitsichtigkeit und Stabsichtigkeit mit altersentsprechender Alterssichtigkeit und mäßiger Linsentrübung beidseits, die sie für den Schwerbehindertenbereich mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 10 einschätzte. Als Versorgungsleiden gab sie partielle Sehnervenatrophie links an, die sie mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von unter 10 v.H. bewertete.

Das lungenfachärztliche Gutachten vom 6. Mai 1993 durch die Ärztin für Pneumologie Dr. R ergab röntgenologisch nachweisbare alte spezifische Veränderungen in beiden Lungenoberfeldern, die nicht zu einer Einschränkung der Lungenfunktion geführt hätten. Da das vorliegende Röntgenbild von 1950 für eine damals relativ frische Lungentuberkulose spreche und den beigezogenen ärztlichen Unterlagen das Auftreten einer solchen Erkrankung erst ab 1950 zu entnehmen sei, könne beim Fehlen von Brückensymptomen nicht davon ausgegangen werden, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen kriegseigentümlichen Verhältnissen und der Lungen-Tbc bestehe.

Der Chirurg Dr. O vertrat im versorgungsärztlich-chirurgischen Gutachten vom 6. Mai 1993 die Auffassung, dass nur die Narbe am rechten Unterschenkel, die ohne funktionelle Bedeutung sei und keine MdE bedinge, als Versorgungsleiden anerkannt werden könne. Eine Störung der Durchblutung der Beine habe nicht festgestellt werden können. Die geltend gemachte Bechterew sche Erkrankung lasse sich nur im Bereich Iliosacralgelenke und labortechnisch nachweisen. Als Schädigungsfolge könne sie auch im Rahmen der sogenannten "Kannversorgung" nicht anerkannt werden, da die Erkrankung nicht in einer zeitlichen Verbindung bis zu sechs Monaten nach der angegebenen Belastung aufgetreten sei.

Mit...

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