Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorzeitiges Altersruhegeld für Frauen. Israelische Pflichtbeiträge in den letzten 20 Jahren. Auslegung des Art 27 Abs 2 S 2 SozSichAbk ISR
Orientierungssatz
1. Gemäß Art 20 Abs 1 SozSichAbk ISR steht für das Überwiegen einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten 20 Jahren eine aufgrund einer Erwerbstätigkeit zurückgelegte israelische Pflichtbeitragszeit einer deutschen Beitragszeit gleich. Hierbei ist es unerheblich, ob die in Israel ausgeübte Erwerbstätigkeit auch nach deutschem Recht Versicherungspflicht begründet hätte. Das "Überwiegen" kann allein mit israelischen Pflichtbeiträgen erfüllt werden.
2. Wurden für den gleichen Zeitraum freiwillige Beiträge zur deutschen Rentenversicherung neben Pflichtbeiträgen zur israelischen Rentenversicherung entrichtet, so sind die israelischen Pflichtbeiträge bei der Prüfung des Überwiegens zugrunde zu legen.
3. Art 27 Abs 2 S 2 SozSichAbk ISR kann nur das Ziel und den Zweck haben, einem Antragsteller die Gestaltungsmöglichkeit nicht zu nehmen, die eine Antragstellung bei dem israelischen Versicherungsträger ansonsten zur Folge haben könnte. Ein in Israel gestellter Antrag auf Altersruhegeld kann deswegen nur dann nicht als Antrag auf Gewährung eines deutschen Altersruhegeldes gelten, wenn der Berechtigte erklärt, daß er den nach deutschen Vorschriften maßgeblichen Versicherungsfall gemäß § 25 Abs 6 AVG auf einen späteren Zeitpunkt verschieben möchte.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts vom 22. September 1988 und der Bescheid vom 05. Februar 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 1986 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 01. September 1976 bis zum 31. Mai 1981 Altersruhegeld einer weiblichen Versicherten zu gewähren. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Im Streit zwischen den Beteiligten ist, ob die Klägerin gegen die Beklagte Anspruch auf das Altersruhegeld einer weiblichen Versicherten gemäß § 25 Abs. 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG - ab 1. Juni 1976 hat.
Die im ... in ... geborene Klägerin gehört als Jüdin zu den Verfolgten des Nationalsozialismus und erhielt Entschädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz - BEG -. Im April 1946 wanderte sie nach Palästina aus, wurde israelische Staatsangehörige und 1955 Mitglied in dem Kibbuz .... Dort war sie bis April 1976 als Lehrerin beschäftigt. Nach den Angaben der israelischen Nationalversicherung stand sie dabei in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, war 265 Monate pflichtversichert (01.04.1954 bis 30.04.1976) und stellte dort am 7. April 1976 einen Antrag auf eine israelische Rente.
Am 20. Juli 1984 stellte die Klägerin bei der Beklagten - dort war ein Verfahren wegen der Anerkennung von polnischen Versicherungszeiten und Zulassung zur Nachentrichtung von Beiträgen nach § 10 WGSVG anhängig (Antragstellung 31. Dezember 1975), das für die Klägerin hinsichtlich der geltend gemachten polnischen Versicherungszeiten schließlich negativ geendet hat (SG Berlin S 1 An 2102/80 Urteil vom 11. Juli 1984) - einen Antrag auf Frauenaltersruhegeld. Sie erhalte in Israel seit Erreichen des 60. Lebensjahres - ... - Pansion; es werde beantragt, diesen Tag als Stichtag anzuerkennen.
Nach Abschluß des gerichtlichen Verfahrens zur Kontenklärung forderte die Beklagte die Klägerin am 12. November 1984 im Rahmen eines Nachentrichtungsverfahrens nach Art. 2 § 49 a Abs. 2 AnVNG (Antrag vom 31. Dezember 1975) zur Konkretisierung auf, sicherte die Rückwirkung der Beiträge zu und ließ die Klägerin mit Bescheid vom 22. März 1985 zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge zur Angestelltenversicherung für die Jahre 1956 bis 1973 für 216 Monate in der Beitragsklasse 400 mit einem Wert für einen Beitrag von 72,00 DM, sonach zu einem Gesamtbeitrag von 15.552,00 DM, zu. Weiter heißt es in diesem Bescheid u. a., die Klägerin sei Mitglied in einem Kibbuz. Zwischen dem Mitglied eines Kibbuz und der Kibbuzgemeinschaft bestehe ein Vertrag, der die Rechte und Pflichten beider Teile zum Inhalt habe. So sei das Kibbuzmitglied verpflichtet, die ihm von der Gemeinschaft zugewiesenen Arbeiten auszuführen. Diese Verpflichtung zum Erbringen einer Arbeitsleistung bestehe grundsätzlich unabhängig von dem Lebensalter des Mitgliedes. Es sei deshalb eine Bescheinigung des Kibbuz erforderlich, aus der die persönlichen Bar- und Sachbezüge hervorgingen. Ferner würden gemäß Art. 27 Abs. 2 des deutsch-israelischen Sozialversicherungsabkommens - DISVA - Anträge auf Leistungen des einen Vertragsstaates auch als Anträge auf entsprechende Leistungen des anderen Vertragsstaates gelten.
Die Klägerin zahlte an die Beklagte einen Gesamtbetrag in Höhe von 15.552,00 DM und für Mai 1985 in Höhe von 72,00 DM (Geldeingang 10. Juni 1985), reichte eine Bescheinigung von ihrem Kibbuz e...