Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen Berufsunfähigkeit. Berufsschutz. Lösung vom Beruf. Floristin

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die kurze Dauer der Berufsausübung steht einer Bewertung als bisheriger Beruf nicht entgegen, weil dieser nicht 60 Monate ausgeübt worden sein muss, um als bisheriger Beruf im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI zu gelten.

2. Das Bemühen, in dem gelernten Fachbereich weiter Tätigkeiten auszuüben und dabei auch in Kauf zu nehmen, geringer entlohnte Beschäftigungen anzunehmen, um in dem erlernten Fachbereich weiter tätig sein und Berufserfahrung sammeln zu können, spricht gegen einen inneren Lösungswillen. Vielmehr zeigt ein solches Verhalten gerade den Willen, am erlernten Beruf festzuhalten.

 

Normenkette

SGB VI a.F. § 43 Abs. 2, § 44 Abs. 2

 

Verfahrensgang

SG Berlin (Urteil vom 11.10.2002; Aktenzeichen S 22 RJ 1202/00)

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 29.03.2004; Aktenzeichen B 13 RJ 55/04 B)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Oktober 2002 geändert.

Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 23. August 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2000 verurteilt, der Klägerin ab 1. März 1999 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte hat zwei Drittel der Kosten der Klägerin zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist nach Rücknahme der Berufung im Übrigen die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Die 1965 geborene Klägerin absolvierte in der Zeit von September 1982 bis August 1985 eine Lehre als Floristin. Ausweislich der vorliegenden Arbeitsbescheinigungen der Arbeitgeber, bei denen sie seit Abschluss der Lehre tätig war, war sie wie folgt beschäftigt:

2. September bis 30. September 1985

Floristin

15. Oktober 1985

Blumenbinderin-Aushilfe

17. April bis 16. Mai 1986

Floristin

1. Juli bis 31. Dezember 1986

Floristin

1. Januar bis 30. Juni 1987

Binderin

1. Juli bis 5. September 1987

Floristin

14. September bis 17. Oktober 1987

Floristin

17. November bis 21. November 1987

Floristin

19. April bis 22. Mai 1990

Floristin

28. Mai bis 18. August 1990

Floristin.

Nach Aufgabe ihrer letzten Tätigkeit bei B… am 18. August 1990 bezog die Klägerin Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit bzw. Krankengeld. Außerdem war sie von Juni 1993 bis Juni 1994 als Gärtnereigehilfin in einer ABM beschäftigt. Die zuletzt gewährte Arbeitslosenhilfe wurde mit Bescheid vom 9. Dezember 1999 rückwirkend ab 21. Oktober 1998 wegen fehlender Bedürftigkeit aufgehoben. Diesbezüglich ist ein Verfahren bei dem Sozialgericht Berlin, Az. S 58 AL 607/02, anhängig.

Das Versorgungsamt B, das der Klägerin mit Bescheid vom 29. September 1998 einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie das Merkzeichen “aG” (außergewöhnliche Gehbehinderung) zuerkannt hatte, hat mit Bescheid vom 13. November 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2002 den GdB auf 70 herabgesetzt und nur noch das Merkzeichen “G” gewährt. Während des diesbezüglich anhängigen Klageverfahrens bei dem Sozialgericht Berlin, Az. S 43 SB 1602/02, hat das Versorgungsamt mit Bescheid vom 5. Juni 2003 einen GdB von 80 ab Juni 2002 festgestellt.

Am 17. März 1999 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbs-hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit. Sie gab an, sich wegen ihrer Halswirbelsäule und der Hüfte seit April 1998 für erwerbsunfähig zu halten.

Die Beklagte holte eine Auskunft des letzten Arbeitgebers der Klägerin, der Fa.… B… , B…gesellschaft mbH & Co KG vom 14. Juni 1999 ein, wonach die Klägerin vom 28. Mai bis 18. August 1990 als Floristin beschäftigt gewesen sei. Bei den von ihr verrichteten Arbeiten – Verkauf von Blumen und Pflanzen, Warenpflege, Warenaufbau, Kassierertätigkeiten – habe es sich um Tätigkeiten gehandelt, die im allgemeinen von ungelernten Arbeitern verrichtet würden.

An medizinischen Unterlagen lagen der Beklagten ein Heilverfahrensentlassungsbericht der M… Klinik in D-… H… vom 10. Juli 1996, ein Gutachten des Chirurgen G… vom 27. Februar 1997, ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters F… vom 7. November 1997 sowie ein weiterer Heilverfahrensentlassungsbericht der B…-Klinik in B… vom 11. Februar 1998 vor. Zur Ermittlung des Sachverhalts holte die Beklagte ein weiteres Gutachten des Chirurgen G… vom 20. April 1999 ein. Der Gutachter diagnostizierte einen Zustand nach Umstellungsosteotomie wegen Hüftdysplasie beidseitig (1995 und 1996), HWS-Syndrom und Zustand nach distaler Radiusfraktur links. In ihrem Lehrberuf als Floristin sei die Klägerin auf Dauer nur noch unter zwei Stunden einsetzbar. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne sie jedoch noch weiterhin leichte körperliche Tätigkeiten verrichten. In dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten von Dr. Sch… vom 28. Mai 1999 wurde ein epileptisches Anfallsleiden mit leichter Wesensveränderung und eine akzentuierte Primärpersönlichkeit mit narzisstischen Zügen diagnostiziert. Sie könne noch leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen vollschicht...

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