Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragszeit für berufliche Ausbildung bei Nichtzahlung von Pflichtbeiträgen

 

Orientierungssatz

1. Personen, die vor dem Besuch einer Hochschule eine geforderte praktische Tätigkeit ausgeübt haben, waren in der Invalidenversicherung gem § 1235 Nr 3 RVO versicherungsfrei, und zwar selbst dann, wenn sie während des Praktikums "ein Entgelt" erhielten. Die Versicherungsfreiheit für Praktikanten ist erst in der Invaliden-(renten-)versicherung bei der Rentenreform im Jahre 1957 aufgegeben worden.

2. Ein Praktikum ist - selbst wenn es die Voraussetzungen für die Aufnahme eines Studiums oder einer weiteren (Fachschul- oder Fachhochschul-)Ausbildung darstellt, selbst keine Fachschul- oder Hochschulausbildung.

3. Zeiten eines Praktikums, für die grundsätzlich Versicherungsfreiheit bestand, können nicht als Pflichtbeitragszeiten nach § 247 Abs 2a SGB 6 anerkannt werden.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Zeit vom 2. Oktober 1950 bis 1. Juni 1951 als rentenrechtliche Zeit anzuerkennen ist.

Der ... 1929 in Sch geborene Kläger verließ nach seinen Angaben Ostern 1945 die Schule mit der mittleren Reife. Seine im April 1947 begonnene Lehre des Kraftfahrzeughandwerks schloss er am 28. September 1950 mit der Gesellenprüfung ab. Vor dem beabsichtigten Besuch des Technikums in B war er vom 2. Oktober 1950 bis 30. September 1951 beim B V -- in B beschäftigt, und zwar nach dem Praktikantenzeugnis vom 5. Juni 1951 in der Zeit vom 2. Oktober 1950 bis 1. Juni 1951 als Hochschul-/Mittelschul-Praktikant (in insgesamt acht Werkstätten) und anschließend vom 2. Juni 1951 bis 30. September 1951 in der Abteilung Maschinenbau als Maschinenschlosser-Lehrling (Lehrzeugnis vom 30. September 1951); er bestand im September 1951 die Facharbeiterprüfung als Maschinenbauer. Die im Oktober 1951 begonnene Ausbildung am Technikum in B brach der Kläger im August 1952 ab. Vom 1. September bis 13. Oktober 1952 war er als Kraftfahrzeugschlosser beschäftigt. Er wanderte dann nach Südafrika aus, wo er seitdem lebt.

Auf seinen im Oktober 1979 gestellten Antrag auf Klärung des Versicherungsverlaufs erkannte die Beklagte mit Bescheiden vom 26. November und 16. Juni 1981 u.a. eine Pflichtbeitragszeit vom 8. April 1947 bis 30. September 1950 an und merkte eine versicherungsfreie Lehrzeit vom 2. Juni bis 30. September 1951 als Ausfallzeit-Tatsache vor; die Wiederherstellung von Beitragsunterlagen für die Zeit vom 2. Oktober 1950 bis 30. September 1951 lehnte sie ab, da der Verlust der Beitragsunterlagen bzw. die Beitragsentrichtung für diese Zeit nicht nachgewiesen sei; auch eine Ausfallzeit könne insoweit nicht anerkannt werden. Einen entsprechenden Versicherungsverlauf erstellte die Beklagte unter dem 29. Oktober 1981.

Im Februar 1993 beantragte der Kläger eine Überprüfung dieser Entscheidungen unter Hinweis darauf, dass er vom 2. Oktober 1950 bis 30. September 1951 eine insgesamt zwölfmonatige Lehre als Maschinenschlosser abgeleistet und anschließend die Facharbeiterprüfung bestanden habe. Für den von ihm gewünschten Besuch des Technikums in B habe die Lehre als Kraftfahrzeugschlosser nicht genügt, sondern sei eine maschinenbau-technische Zusatzausbildung gefordert worden. Darauf habe er sich beim B V für ein Jahr "verdingt" und nach einer einjährigen Lehrzeit die Facharbeiterprüfung als Maschinenschlosser bestanden. Dass die gesamte Zeit als Lehre angesehen worden sei, ergebe sich auch aus dem Facharbeiterbrief der Handelskammer B vom 30. September 1951. Deshalb sei auch die Zeit vom 2. Oktober 1950 bis 1. Juni 1951 als versicherungsfreie Lehrzeit anzuerkennen.

Mit Bescheid vom 12. Juli 1993 lehnte es die Beklagte ab, die Zeit im Wege der Überprüfung anzuerkennen.

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 1994) hat der Kläger am 21. März 1994 die auf die Anerkennung der Zeit vom 2. Oktober 1950 bis 1. Juni 1951 als Lehrzeit gerichtete Klage erhoben. Zur Begründung hat er u.a. auf die Mitgliedskarte der Betriebskrankenkasse (BKK) B V verwiesen, in der als Beschäftigungsart zunächst "Praktikant" angegeben ist; diese Angabe wurde später in "M'schlosser" geändert. Ferner wurde in der Spalte "Bemerkungen" eingetragen: "Lehrzeit vom 2.10.50 -- 30.9.51". Zudem ist auf der Karte die Ausgabe eines Krankenscheins am 17. März 1951 eingetragen. Nach Auffassung des Klägers ergebe sich daraus, dass er krankenversichert gewesen sei, was nur bei einem Lehrverhältnis, nicht aber bei einem unentgeltlichen Praktikantenverhältnis möglich gewesen sein dürfte. Zudem hätte er die Facharbeiterprüfung nicht nach einer Lehrzeit von nur vier Monaten (2. Juni bis 30. September 1951) ablegen und bestehen können. Schließlich ergebe sich auch aus der von der Beklagten vorgelegten Beurteilung der Handelskammer B, dass die gesamte Zeit vom 2. Oktober 1950 bis 30. Septem-ber 1951 als Lehrzeit anzusehen sei.

Die Beklagte hat während des Klageverfahrens dem Kläger mit Bescheid vom 2. August 1994 ein Recht auf Regelalters...

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