Verfahrensgang
SG Berlin (Urteil vom 24.01.2002; Aktenzeichen S 47 SB 2849/00) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar 2002 aufgehoben.
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 22. Juni 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2000 verurteilt, der Klägerin das Merkzeichen “aG” zuzuerkennen.
Der Beklagte hat der Klägerin die ihr entstandenen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin außergewöhnlich gehbehindert ist und deshalb die Voraussetzungen für das Merkzeichen “aG” erfüllt.
Der Klägerin – geboren 1943 – war im Wege der Neufeststellung zuletzt mit Bescheid vom 7. Januar 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 1999 ein GdB von 100 und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen “B…” und “G…” zuerkannt worden. Die Behinderungen und Einzelbehinderungsgrade waren wie folgt festgestellt worden:
a) Operiertes Brustdrüsenleiden rechts im Stadium der Heilungsbewährung |
– |
GdB 60 |
b) chronisch obstruktive Atemswegserkrankung mit Lungenüberblähung und Rückwirkungen auf das Herz |
– |
GdB 50 |
c) eingeschränkte Herzleistungsbreite, Reizleistungsstörungen |
– |
GdB 30 |
d) Wirbelsäulenverbiegung, Verschleißerscheinungen an der Wirbelsäule und den Gelenken |
– |
GdB 30 |
e) chronische Polyarthritis im Bereich der Schulter-, Finger- und Zehengelenke |
– |
GdB 20 |
f) Krampfadern |
– |
GdB 20 |
g) nervöse Störungen |
– |
GdB 10 |
Die Anerkennung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung war abgelehnt worden, da nach Art und Ausmaß der Behinderungen die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens “aG” nicht vorlägen.
Mit Schreiben vom 22. Februar 2000 beantragte die Klägerin erneut die Anerkennung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung unter Hinweis auf die beigefügte Kopie der ärztlichen Überweisung durch die behandelnde Internistin/Rheumatologin Dr. med. D… H… an Dr. Z… mit dem Vermerk , dass die Klägerin kaum noch laufen könne. In dem eingeholten Befundbericht vom 6. April 2000 gab Dr. H… dazu an, im Vergleich zu dem Vorbefund liege eine Zunahme der Fußbeschwerden insbesondere beider Vorfüße, rechts mehr als links, und des rechten Sprunggelenkes sowie ein rechtshinkender Gang vor. In der von dem Beklagten veranlassten gutachterlichen Stellungnahme vom 22. Mai 2000 führte Dr. A… Y… aus, dass als neue Behinderung h) Schuppenflechte anzuerkennen sei. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung von “aG” seien jedoch nicht gegeben, da eine Gleichstellung der Klägerin mit dem bevorrechtigten Personenkreis nicht möglich sei. Die Klägerin verwies zur Stützung ihres Begehrens auf ein CT des Beckens vom 8. Juni 2000 mit der Feststellung einer Fraktur des Sitzbeins mit einem quer verlaufenden Frakturspalt ohne Dislokation oder Verschiebung und auf ein Knochenszintigramm des Beckens und des Skelettsystems der Praxis für Nuklearmedizin vom 6. Juni 2000.
Mit Bescheid vom 22. Juni 2000 nahm der Beklagte – unter Beibehaltung des Gesamt-GdB von 100 – die Schuppenflechte als Behinderung zu h) auf und lehnte die Anerkennung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung (Merkzeichen “aG”) ab, da die gesundheitlichen Voraussetzungen dieses Merkzeichen nicht erfüllt seien.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass sie ohne fremde Hilfe ihre Wohnung nicht mehr verlassen könne, Arztbesuche jedoch nicht verzichtbar seien. Zur Stützung des Begehrens legte sie eine Vielzahl von ärztlichen Unterlagen – u.a. ein MRT der Lendenwirbelsäule vom 23. Juni 2000 sowie Ganzkörperknochen-Szintigraphien vom 15. September 1999 und 20. April 1999, einen Röntgenbefund des Hemithorax vom 22. April 1999, einen CT-Befund des Abdomens vom 20. April 1999 sowie einen Behandlungsbericht des Krankenhauses Waldfriede über den stationären Aufenthalt vom 15. bis 28. Februar 1999 wegen einer Hysterektomie – vor
Der Beklagte veranlasste ein ärztliches Gutachten von der Ärztin A… M… vom 22. August 2000, die die Behinderungskomplexe zu d) und e) zusammenfasste und den Einzel-GdB auf 40 erhöhte, jedoch die Klägerin keinesfalls als außergewöhnlich gehbehindert ansah. Unter Bezugnahme auf diese gutachterlichen Feststellungen wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2000 zurück, da nach Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens “aG” nicht erfüllt seien.
Mit der hiergegen erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren auf Anerkennung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung weiter verfolgt. Sie hat ausgeführt, sie könne nicht Treppensteigen, nicht in Busse ein- und aussteigen, insbesondere aber nicht in normalen Parkbuchten ein- und aussteigen. Nur auf Behindertenparkplätzen sei genügend Raum, die Tür weit genug zu öffnen. Ein Verlassen der Wohnung sei unumgänglich, denn bei der bei ihr bestehenden chronischen Polyarthritis und Osteoporose erfolgten keine Hausbesuche durch die behandelnden Ärzte. Nac...